Leitsatz (amtlich)
Ein Überholvorgang i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2b) StGB kommt im Falle des Vorbeifahrens auf außerhalb der Fahrbahn belegenen Flächen nur in Betracht, wenn der Überholvorgang auf der Fahrbahn selbst seinen Ausgang genommen hat.
Normenkette
StGB § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b)
Verfahrensgang
LG Aurich (Entscheidung vom 11.06.2018; Aktenzeichen 12 Ns 5/17) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 11. Juni 2018 aufgehoben, jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Gegen den Angeklagten wird wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Straßenbenutzung in Tateinheit mit einem fahrlässigen Verstoß gegen die Vorschriften über das Einfahren und Ausfahren eine Geldbuße in Höhe von 40 Euro verhängt.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht und ein Viertel der Kosten der Revision.
Die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, drei Viertel der dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Angewendete Vorschriften: §§ 2 Abs. 1, 10 Satz 1, 49 Abs. 1 Nrn. 2 u. 10 StVO, § 24 StVG, § 19 Abs. 1 OWiG
Gründe
Das Amtsgericht Aurich hatte den Angeklagten am 11. Oktober 2016 unter Zubilligung einer Ratenzahlung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Weiter hatte es die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins angeordnet und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Aurich mit Urteil vom 11. Juni 2018 mit der Maßgabe verworfen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis und die angeordnete Sperrfrist entfallen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erstrebt.
Das Rechtsmittel hat mit der alleine in zulässiger Weise erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts den sich aus dem Tenor ergebenen Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen des Landgerichts brach der Angeklagte am 15. März 2016 gegen 7:40 Uhr mit seinem PKW A..., amtliches Kennzeichen ..., von zu Hause auf, um zu seinem Arbeitsplatz am W... Weg auf kürzester Strecke zu gelangen. Sein Fahrzeug war dabei auf dem Grundstückstreifen zwischen Wohnhaus und dem gepflasterten Gehweg der stadtauswärts führenden O... Straße geparkt. Da auf der O... Straße - wie an jedem Wochentag außerhalb der Schulferien - der Verkehr aufgrund seiner erhöhten Dichte ins Stocken geraten war, entschied sich der Angeklagte, diesen zu umgehen und die Entfernung bis zur nächsten Querstraße, der B... -Straße, in die er zum Wenden ohnehin einfahren wollte, auf dem Geh- und Radweg zurückzulegen. Die bis zur B... -Straße zurückzulegende Strecke von 15 m durchfuhr der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von etwa 10-15 km/h. Als er von dem Geh- und Radweg auf die B... -Straße fuhr, befand sich der Zeuge P... im Abbiegevorgang von der O... Straße auf die besagte Querstraße. Der Angeklagte wollte sich noch vor den Zeugen setzen und fuhr daher - zügiger als der Zeuge P...- weiter auf die Straße ein. Dieses Verhalten zwang den Zeugen dazu, abrupt abzubremsen und dem Angeklagten und seinem PKW auszuweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Das Fahrzeug H... des Zeugen P... kam in einem Abstand zum Fahrzeug des Angeklagten von wenigen Millimetern bis zu maximal 3 cm zum Stehen. Im Falle einer Kollision wäre am Fahrzeug des Zeugen P...ein Schaden von etwa 2.000-2.500 Euro entstanden.
Die Berufungskammer sieht dadurch den Tatbestand der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung, § 315c Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 3 Nr. 1 StGB erfüllt. Der Angeklagte sei von hinten an anderen, unter anderem dem Zeugen P...l, vorbeigefahren, der sich auf derselben Fahrbahn in derselben Richtung bewegte oder nur mit Rücksicht auf die Verkehrslage angehalten habe, wobei auch das Fahren über einen parallel zur Fahrbahn verlaufenden Fußweg zähle. Dabei stelle das Rechtsüberholen über den den Fußgängern vorbehaltenen Gehweg straßenverkehrsrechtlich ein Falschfahren beim Überholvorgang dar. Damit sei zugleich das tatbestandliche Erfordernis der groben Verkehrswidrigkeit erfüllt, denn in der konkreten Verkehrslage sei die Verkehrssicherheit nach generalisierender Würdigung in besonders schwerem Maße beeinträchtigt worden. Der Angeklagte habe nicht nur den auf der Fahrbahn befindlichen Verkehr rechtsseitig - und damit mit einem Überraschungseffekt für den redlichen Fahrbahnbenutzer verbunden - überholt, sondern habe sich zudem in einem für PKW sehr schmalen Verkehrsraum bewegt, so dass für etwa aus einem der angrenzenden Häuser arglos auf den Geh...