Leitsatz (amtlich)
1. Die infolge einer Sperrung von Sitzungssälen durch die Gerichtsverwaltung zum Schutz vor der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus eingetretene geringere Verfügbarkeit von Sitzungssälen zur Verhandlung priorisierter Haftsachen gegenüber nicht priorisierten Verfahren ist als mittelbare Auswirkung der Schutzmaßnahme von § 10 Abs.1 Satz 1 EGStPO erfasst.
2. Während des Zeitraumes der Einschränkungen ist die Unterbrechungsfrist gehemmt; der Hemmungszeitraum ist vom tatsächlichen Unterbrechungszeitraum in Abzug zu bringen, so dass sich die zulässige Unterbrechungsfrist entsprechend erhöht. Zudem endet die Unterbrechungsfrist frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung.
3. Zur Auslösung des Hemmungstatbestandes bedarf es weder eines Feststellungsbeschlusses gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 EGStPO noch einer Niederlegung der Hintergründe der Überschreitung der Unterbrechungsfrist in den Akten; die Umstände, welche die kraft Gesetzes eintretende Hemmung ausgelöst haben, kann das Revisionsgericht freibeweislich aufklären.
Normenkette
StPO § 229; StPOEG § 10 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Entscheidung vom 17.09.2020) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. September 2020 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.500,- Euro aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Oldenburg hatte den Angeklagten mit Urteil vom 7. Januar 2020 vom Vorwurf des Betruges und der Urkundenfälschung freigesprochen. Auf die hiergegen gerichtete, auf den Freispruch wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten mit Urteil vom 17. September 2020 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 60,- Euro verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.500,- Euro angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Die zulässige Revision hat allein mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1.
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.500,- Euro hat keinen Bestand.
a)
Zwar findet sich die in den Gründen des angefochtenen Urteils erörterte Einziehungsentscheidung im Tenor der Urteilsausfertigung nicht wieder. Da indes allein das Protokoll nach § 274 Satz 1 StPO beweist, welche Urteilsformel der Vorsitzende tatsächlich verkündet hat, und somit der Wortlaut der Urteilsformel aus der Sitzungsniederschrift gegenüber der Urteilsurkunde maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2019 - 1 StR 632/18, NStZ 2020, 371 [372 Rn. 15]), ist davon auszugehen, dass die Einziehungsentscheidung tatsächlich erfolgt ist und diese im abgefassten Urteil lediglich aufgrund eines reinen Schreibversehens nicht in den Tenor aufgenommen wurde.
b)
Die Einziehungsentscheidung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Kammer hat insoweit ausgeführt, der Angeklagte habe mit der Tat die Bezahlung des noch offenen Rechnungsbetrages von 7.500,- Euro vermieden; insoweit sei die Einziehung gemäß §§ 73, 73c, 73d StGB anzuordnen gewesen.
Die Einziehungsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Denn der Angeklagte hat durch die Tat weder Etwas erlangt noch Aufwendungen erspart. Er sah sich vor der Tat einer Rechnungsforderung des Autohauses BB in Höhe von 7.500,- Euro ausgesetzt. Daran hat sich durch die von ihm begangene Urkundenfälschung nichts geändert. Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Autohaus aufgrund der Tat auf seine Forderung verzichtet hätte. Ein abzuschöpfender Vermögenszuwachs, der durch die Tat entstanden wäre, liegt bei dem Angeklagten daher nicht vor.
c)
Angesichts dessen war das Urteil hinsichtlich der Einziehungsentscheidung aufzuheben. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO vermochte der Senat diese Entscheidung selbst treffen, zumal auszuschließen ist, dass insoweit weitere Feststellungen getroffen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2008 - 4 StR 166/08, juris Rn. 2).
2.
a)
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der (weiteren) Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft unter Ziffer II. ihrer Zuschrift vom 3. März 2021 verwiesen.
b)
Ergänzender Ausführungen bedarf es nur bezüglich der - im Ergebnis nicht durchgreifenden - Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen die Unterbrechungsvorschrift des § 229 StPO geltend macht, wonach die Hauptverhandlung mehr als drei Wochen lang unterbrochen gewesen sei, ohne dass ein Beschluss nach § 229 Abs. 5 StPO oder ein solcher nach § 10 EGStPO getroffen worden sei.