Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Gleichstellung naher Angehöriger mit dem Verletzten im Falle seines Todes gem. § 373 b StPO im Rahmen von Klageerzwingungsverfahren, insbesondere zur erforderlichen kausalen Verknüpfung von Tod und untersuchter Tat
2. Zur Zulässigkeit von Ermittlungserzwingungsverfahren
Normenkette
StPO §§ 172, 373b
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag, entgegen dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg vom 29. Juli 2021 die Erhebung der öffentlichen Klage wegen Körperverletzung im Amt sowie unterlassener Hilfeleistung zu beschließen, wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag, entgegen dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg vom 29. Juli 2021 weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Ursache des Todes des am TT. MM. 2021 verstorbenen JJ anzuordnen, wird ebenfalls als unzulässig verworfen.
3. Die Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren.
Gründe
Die Antragsteller sind die Eltern des am TT. MM. 2021 verstorbenen JJ. Dieser war am TT. MM. 2021 (...) vorläufig festgenommen worden, wobei er Widerstand gegen die vorläufige Festnahme leistete und es deshalb zum Einsatz von Reizgas gegen ihn kam. Herr JJ war anschließend in Polizeigewahrsam verbracht worden, wo er (...) in seiner Zelle plötzlich zu Fall kam und mit dem Kopf auf den Boden aufschlug. Vor Ort befindliche Polizeibeamte verbrachten Herrn JJ aus der Zelle, um einen besseren Zugang für die verständigten Rettungssanitäter zu ermöglichen, kontrollierten die Vitalzeichen und verbrachten ihn in die stabile Seitenlage. Reanimationsmaßnahmen führten sie nicht durch. Die wenige Minuten später eingetroffenen Rettungssanitäter konnten Herrn JJ reanimieren und in das KK Krankenhaus in Ort1 verbringen, wo er intensivmedizinisch behandelt wurde, bis er am TT. MM. 2021 (...) an einem Multiorganversagen verstarb, dessen Ursache im Zuge des bisherigen Ermittlungen nicht abschließend geklärt werden konnte.
Die gegen die beteiligten Polizeibeamten gerichteten Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit Bescheid vom 17. Mai 2021 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller hat die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg mit Bescheid vom 29. Juli 2021 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Erhebung der öffentlichen Klage gegen die angezeigten Polizeibeamten wegen der Vorwürfe der Körperverletzung im Amt durch Unterlassen sowie der unterlassenen Hilfeleistung. Den Tatbestand der Körperverletzung im Amt durch Unterlassen sehen sie durch ein pflichtwidriges Unterlassen der Beamten, den Verstorbenen von den Wirkungen und Folgen des erfolgten Pfefferspray-Einsatzes zu befreien, verwirklicht, den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung durch ein Unterlassen einer Laienreanimation nach dem Zusammenbruch im Gewahrsamsbereich der Polizei. Aufgrund dessen halten sie die Erhebung der öffentlichen Klage für geboten.
Des Weiteren begehren sie die Durchführung von weiteren Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg zur Klärung der Ursache des Versterbens. Ihrer Ansicht nach bedarf die Todesursache weiterer Aufklärung.
So sei nicht hinreichend geklärt, wie der im Magen des Verstorbenen aufgefundene Superabsorber, dessen Einnahme nach dem Gutachten der Rechtsmedizin mutmaßlich zum Tod geführt habe, aufgenommen worden sei. Auch sei unklar, ob der Tod mit einem im KK Krankenhaus ausweislich der Patientenunterlagen vermuteten Bauchtrauma in Zusammenhang gestanden habe.
1.
Die Klageerzwingungsanträge erweisen sich als unzulässig.
Eine Antragsberechtigung im Hinblick auf die erhobenen Tatvorwürfe der Körperverletzung im Amt und der unterlassenen Hilfeleistung besteht nicht.
Antragsberechtigt ist nach § 172 Abs. 1 StPO nur der Verletzte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 64. Aufl., § 172, Rn. 10).
Der Begriff des Verletzten ist mit Einführung des § 373b StPO durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 erstmals allgemein gesetzlich definiert. Diese zum 1. Juli 2021 in Kraft getretene Regelung, welche der Umsetzung der sog. Opferschutzrichtlinie der EU (Rahmenbeschluss des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren - RB 2001/220/JI) dient, findet ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere auch auf die Bestimmung des Verletzten im Rahmen der §§ 171, 172 StPO Anwendung (vgl. BT-Drucksache 19, 27654, S. 104; BeckOK StPO/Weiner, 41. Ed. 1. Oktober 2021, § 373b Rn. 44). Ein Rückgriff auf die durch die Neuregelung unberührt gebliebenen, bislang in diesem Zusammenhang zur Beurteilung herangezogenen Regelungen der Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger (§ 395 StPO) verbietet sich auf Grundlage der aktuellen gesetzlichen Regelung ebenso wie ein solcher auf die - ebenfalls durch die Neuregelung nicht betroffene - materiell rechtliche Vorschrift des § 77 StGB.
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