Leitsatz (amtlich)
Für Gespräche mit einem zweiten Wahlverteidiger angefallene Dolmetscherkosten sind jedenfalls dann aus der Staatskasse zu erstatten, wenn die Hinzuziehung eines zweiten Anwaltes durch den verhafteten Beschuldigten geboten war, um erstmals eine persönliche anwaltliche Beistandsleistung zu erhalten.
Normenkette
EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. e
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 23.02.2011; Aktenzeichen 1 KLs 10/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 23. Februar 2011 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - dahin geändert, dass dem Verteidiger Auslagen für die Hinzuziehung eines Dolmetschers in Höhe von 316,01 € zu erstatten sind.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Notwendige Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Rechtsanwalt ..., der im vorliegenden Strafverfahren den damaligen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten vertreten hatte, machte mit Kostenrechnung vom 9. Juni 2009 Auslagen für die Einschaltung eines Dolmetschers gemäß dessen Rechnungen vom 2. Mai 2009 über 171,96 €, vom 4. Mai 2009 über 72,65 € und vom 9. Mai 2009 über 71,40 € geltend, deren Veranlassung er im Schriftsatz vom 25. Januar 2011, auf dessen Inhalt verwiesen wird, näher erläuterte.
Mit Schreiben vom 2. September 2009 beantragte der Verteidiger auch die Erstattung von 76,34 €, die der Dolmetscher mit Rechung vom 29. August 2009 für die Übersetzung eines Textes berechnet hatte.
Die Dolmetscherkosten von insgesamt 392,35 € wurden bei der Festsetzung der Rechtsanwalt ... zu erstattenden Auslagen unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Bezirksrevisors vom 8. September 2009 und 14. Dezember 2009, auf deren Inhalt verwiesen wird, abgesetzt.
Auf die Erinnerung des Verteidigers setzte die 1. große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück die dem Verteidiger zu erstattenden Dolmetscherkosten von 392,35 € fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.
Hiergegen richtet sich die namens der Landeskasse eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Osnabrück. Er meint, die durch Beauftragung eines weiteren Wahlverteidigers entstandenen Dolmetscherkosten, zumindest die geltend gemachten Übersetzungskosten laut Rechnung vom 29. August 2009, seien nicht aus der Landeskasse zu erstatten.
Das Rechtsmittel hat lediglich hinsichtlich der Rechnung vom 29. August 2009 Erfolg.
Die Erstattungsfähigkeit der gemäß Rechnungen vom 2., 4. und 9. Mai 2009 berechneten Dolmetscherkosten kann vorliegend nicht unter Hinweis auf das weitere, bis zum 24. Mai 2009 währende Mandat der Rechtsanwältin ... verneint werden.
Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK räumt dem der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall einer notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 StPO oder des Art. 6 Buchst. c MRK gegeben ist, BGH NStZ 2001, 107. Ihm sind daher die im Verkehr mit seinem Wahlverteidiger entstandenen Dolmetscherkosten zu erstatten.
Ob das Recht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK mit Rücksicht darauf, dass diese Vorschrift eine Ungleichbehandlung mit einem der deutschen Sprache mächtigen Angeklagten bzw. Beschuldigten verhindern soll, vgl. BVerfG NJW 2004, 50, die Unentgeltlichkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers für den Verkehr mit mehr als einem Verteidiger gewährt (so LG Dresden - 3 Qs 92/10 - Beschluss vom 16. August 2010, zitiert nach juris. LG Osnabrück StraFo 2011, 89), weil nach deutschem Strafprozessrecht ein Beschuldigter sich des Beistandes von bis zu drei gewählten Verteidigern bedienen darf, § 137 Abs. 1 StPO, oder ob der aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK herzuleitende Grundsatz des fairen Verfahrens bereits dann gewahrt ist, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des Anfalls der Dolmetscherkosten schon von einem durch ihn gewählten Verteidiger verteidigt war (vgl. AG Rosenheim - 8 Ds 280Js 22311/10 - Beschluss vom 3. März 2011, zitiert nach juris, für den Fall, dass der zunächst vom Betroffenen gewählte Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt war und kein Anhalt für ein gestörtes Vertrauensverhältnis zu diesem bestand), kann vorliegend offen bleiben.
Auch wenn man der Ansicht des Amtsgerichts Rosenheim zuneigte, sind Rechtsanwalt ... die Rechnungsbeträge für Dolmetscherleistungen im Mai 2009 wegen der hier gegebenen Besonderheiten zu erstatten.
Im Zeitpunkt des ersten persönlichen Kontaktes von Rechtsanwalt ... mit dem damaligen Angeklagten am 2. Mai 2009 hatte dieser noch keine Gelegenheit zu einem unmittelbaren Kontakt mit einem Verteidiger gehabt. Rechtsanwältin ... war lediglich durch einen Amsterdamer Anwalt benachrichtigt worden und suchte den damaligen Angeklagten erst am 6. Mai 2009 in der Haftanstalt auf. Für den damaligen Angeklagten bestand mit Rücksicht auf seine...