Leitsatz (amtlich)

Eine Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung über die Herausgabe eines Kindes an das zuständige Jugendamt ist unzulässig. Eine analoge Anwendung von § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG kommt nicht in Betracht.

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

II. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

IV. Der Beschwerdeführerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt.

 

Gründe

I. Durch Beschluss des AG Delbrück vom 1.2.2010 (3 F 20/10) wurde den Kindeseltern aufgrund Kindeswohlgefährdung (auch) für das Kind M. B., geboren am ..., Teilbereiche der elterlichen Sorge, u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen und auf das Kreisjugendamt P. als Ergänzungspfleger übertragen. Durch Beschluss des OLG Hamm vom 13.12.2012 wurde den Kindeseltern bezüglich des Kindes M. B., geboren am ... die gesamte elterliche Sorge entzogen und auf einen Vormund übertragen. Für die weiteren Kinder, so auch für M., verblieb es bei dem Beschluss des AG Delbrück vom 1.2.2010. Das OLG Hamm hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass eine Fremdunterbringung aller Kinder erforderlich sei, um eine Gefährdung abzuwenden. M. müsse in der Pflegefamilie bleiben. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Versuche, in der Familie eine Familienhilfe zu installieren seien gescheitert. Die Kindesmutter habe eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt immer wieder vollständig verweigert. M. hatte beginnend mit der Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen ab 13.12.2012 bis März 2014 keinen persönlichen Kontakt zu der Mutter. Ab November 2013 hatte M. auf eigenen Wunsch zunächst Briefkontakt zur Mutter. Im März 2014 übersandte die Kindesmutter M. ein Handy, welches in der Einrichtung verboten war und diesem deswegen am 14.3.2014 weggenommen wurde. M. lief aus der Einrichtung am 14.3.2014 weg und hielt sich im Folgenden bei der Kindesmutter und ihrem Ehemann auf. Das Jugendamt P. duldete den Aufenthalt von M. bei der Kindesmutter bis zum 2.4.2014. Die Kindesmutter gab M. danach nicht freiwillig an den Pfleger heraus. Auf Antrag des Pflegers hat das AG Cloppenburg im Wege einstweiliger Anordnung nach persönlicher Anhörung der Beteiligten und des Kindes am 11.4.2014 beschlossen, dass das Kind M. B. an das Jugendamt in P. herauszugeben ist. Die Herausgabe wurde im Erörterungstermin am 11.4.2014 durch den Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte vollzogen. Das Kind M. wurde in die Obhut des Mitarbeiters des Jugendamtes übergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des AG Cloppenburg vom 11.4.2014 Bezug genommen.

Die Kindesmutter wendet sich mit der Beschwerde gegen den Herausgabebeschluss. Sie begehrt die Aufhebung des Beschlusses unter Zurückweisung des Herausgabeantrags. M. ist erneut am 13.5.2014 aus der Pflegestelle entwichen und hält sich seither wieder bei der Kindesmutter auf.

II. Der Beschwerde der Kindesmutter bleibt der Erfolg versagt. Der im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangene Beschluss ist nach § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar. Eine der in § 57 Satz 2 FamFG geregelten Ausnahmen von der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen in Familiensachen liegt nicht vor. Das Familiengericht hat vorliegend nämlich nicht über die Herausgabe des Kindes an einen anderen Elternteil sondern über die Herausgabe des Kindes an den Ergänzungspfleger entschieden. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit nach dem Wortlaut des § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG liegen nicht vor. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist es streitig, ob diese Vorschrift analog anzuwenden ist, wenn die Kindesherausgabe an dritte Personen - also nicht an den anderen Elternteil - vorzunehmen ist (s. hierzu insbesondere die Entscheidung des OLG Oldenburg, 4. OLG Oldenburg für Familiensachen v. 9.11.2010 - Aktenzeichen 13 UF 90/10, FamRZ 2011, 745 sowie die Entscheidung des Saarländischen OLG Saarbrücken 1. OLG Oldenburg für Familiensachen v. 21.12.2012 - Aktenzeichen 6 UF 416/12, FamRZ 2013, 1153 m. zahlreichen weiteren Nachweisen). Nach Auffassung des Senats scheidet ein Rechtsmittel aus, wenn eine Entscheidung zur Herausgabe eines Kindes an den Ergänzungspfleger vorliegt. Einer anderweitigen Auslegung steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Gegen das Vorliegen einer gesetzgeberisch planwidrigen Regelungslücke spricht, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer bereits erfolgten Korrektur des § 57 Satz 2 FamFG (BT-Drucks. 17/10490 v. 15.8.2012, S. 11 und S. 18) von Nachbesserungen der in § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG getroffenen Regelung abgesehen hat, obwohl diesem die wortgetreue Auslegung bekannt war (s. bspw. Keidel/Giers, FamFG 2011, § 57 Rz. 7).

Die insoweit begrenzte Anfechtbarkeit ist auch angemessen. Den Beteiligten steht es nämlich offen, unmittelbar oder über § 52 FamFG ein Hauptsacheverfahren einzuleiten und auf diese Weise die getroffene Entsche...

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