Entscheidungsstichwort (Thema)

Ist Wirksamkeit eines gegenseitigen Unterhaltsverzichts zweifelhaft, darf Verfahrenskostenhilfe nicht verweigert werden

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Veröffentlichung durch den Senat ist nicht beabsichtigt bzw. der Senat die Entscheidung nicht für veröffentlichungswürdig hält.

 

Normenkette

BGB §§ 127a, 1585c

 

Verfahrensgang

AG Nordenham (Beschluss vom 22.03.2011; Aktenzeichen 4 F 442/10 VKH2)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nordenham vom 22.3.2011 geändert.

Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich für die erste Instanz bewilligt, soweit der Antragsteller für diese Folgesachen jeweils auf Auskunft im Verbundverfahren in Anspruch genommen wird.

Im Umfang der Bewilligung wird Rechtsanwalt M. aus Nordenham beigeordnet.

 

Gründe

Die nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet. Der Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin kann jedenfalls im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht gänzlich abgesprochen werden.

1. Weil das Familiengericht bislang über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den auch von der Antragsgegnerin beabsichtigten Scheidungsantrag noch nicht entschieden hat, ist insoweit das Verfahren nicht beim Beschwerdegericht angefallen. Der Senat hatte mithin nur darüber zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich gegeben sind.

2. Zutreffend legt das AG in der angefochtenen Entscheidung dar, dass die Beteiligten in der Unterhaltssache 4 F 36/10 UEUK AG Nordenham am 17.8.2010 wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet und Bestimmungen zum Güterrecht getroffen haben. Im Ansatz richtig trägt jedoch die Antragsgegnerin Argumente vor, die zumindest Zweifel hinsichtlich der uneingeschränkten Wirksamkeit des gesamten Regelwerks dieses gerichtlich geschlossenen Vergleichs in formeller Hinsicht zu rechtfertigen vermögen. Nach § 1585c Satz 1 BGB können die Ehegatten zwar über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen. Eine Vereinbarung, die vor der Rechtskraft der Scheidung getroffen wird, bedarf jedoch der notariellen Beurkundung (§ 1585c Satz 2 BGB). § 127a BGB findet auch auf eine Vereinbarung Anwendung, die in einem Verfahren in Ehesachen vor dem Prozessgericht protokolliert wird (§ 1585c Satz 2 BGB). Bislang ist jedoch streitig, ob auch in isolierten Familienverfahren Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung in der Form eines gerichtlichen Vergleichs (§ 127a BGB) formwirksam abgeschlossen werden können (vgl. Nachweise der unterschiedlichen Auffassungen bei Steiniger/Viefhues, Rechtliche Probleme bei der Auslegung der Formbedürftigkeit von Unterhaltsregelungen nach § 1585c BGB, FPR 2009, Seite 114 ff.). Soweit das Familiengericht auf die Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit güterrechtlicher Vereinbarungen im Anwendungsbereich von § 1378 Abs. 3 Satz 3 BGB verweist (BGH FamRZ 1983, 157-160), erscheint zumindest zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch auf die Problematik von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen werden, uneingeschränkt übertragen werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe darf dabei zwar von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abhängig gemacht werden. Jedoch darf nicht die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten. Die Fachgerichte überschreiten den Ihnen zukommenden Entscheidungsspielraum insbesondere dann, wenn sie Prozesskostenhilfe verweigern, obwohl die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2010, 1129-1130).

So liegt der Fall auch hier. Weil vorliegend die Anforderungen an eine formell wirksame Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung (§ 1585c BGB) noch nicht hinreichend geklärt erscheinen, darf Verfahrenskostenhilfe nicht verweigert werden. Ob indes die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zur Unwirksamkeit der geschlossenen Vereinbarung tatsächlich Vorzug verdient und für diesen Fall beim Antragsteller überhaupt eine Leistungsfähigkeit festzustellen ist, wird im Hauptsacheverfahren eingehend zu prüfen sein. Weil die von den Beteiligten in der Vereinbarung vom 17.8.2010 zum Güterrecht getroffenen Vereinbarungen in Verbindung stehen zum nachehelichen Unterhalt, erscheint jedenfalls im summarischen...

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