Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anordnung von Ordnungsmitteln gemäß § 89 Abs. 1 FamFG gegen ein Elternteil, das entgegen einer Umgangsregelung den Umgang mit seinen Kindern verweigert (unter Berücksichtigung von BVerfG, Urteil vom 1.4.2008 - 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69 = NJW 2008, 1287 = FamRZ 2008, 845).
Normenkette
FamFG § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Nordhorn (Beschluss vom 23.05.2016; Aktenzeichen 11 F 813/15 UG) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 23.5.2016 geändert:
Gegen den Kindesvater wird wegen Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung im Vergleich vom 8.6.2015 (11 AR 511/15), für die Zeit ab 1.4.2016 geändert durch Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 9.2.2016 (11 F 833/15), ein Ordnungsgeld von 500 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von zwei Tagen angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kindesvater zu tragen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: bis 1.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 4 und 5 sind rechtskräftig geschiedene Eheleute; die Beteiligten zu 1 bis 3 sind ihre gemeinsamen Kinder. Der Kindesvater ist inzwischen vom Emsland zu seiner neuen Lebensgefährtin nach Düsseldorf gezogen. Im Herbst 2015 hat er den Kontakt zu den Kindern abgebrochen. Seinen Antrag, die am 8.6.2015 getroffene Umgangsvereinbarung auszusetzen, hat das Familiengericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 9.2.2016 zurückgewiesen und die Umgangsregelung abgeändert.
Wegen der fortgesetzten Verweigerung von Umgangskontakten durch den Kindesvater hat die Kindesmutter die Festsetzung von Ordnungsmitteln gemäß § 89 FamFG beantragt. Das Familiengericht hat den Antrag abgelehnt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 87 Abs. 4 FamFG, § 568 Satz 2 ZPO in voller Besetzung entscheidet.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Ordnungsmittel gemäß § 89 Abs. 1 FamFG liegen vor. Der Kindesvater hat seit Herbst 2015 fortgesetzt der Umgangsregelung zuwider gehandelt, indem er jeglichen Kontakt mit seinen Kindern verweigert. Gründe, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hätte (§ 89 Abs. 4 Satz 1 FamFG), wurden vom Kindesvater nicht vorgetragen. Auf die Folgen einer Zuwiderhandlung ist er ordnungsgemäß hingewiesen worden (§ 89 Abs. 2 FamFG).
2. Der Senat übt das dem Gericht gemäß § 89 Abs. 1 FamFG eingeräumte Ermessen angesichts der beharrlichen, seit rund neun Monaten andauernden Umgangsverweigerung durch den Kindesvater dahin aus, dass er ein Ordnungsgeld von 500 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von zwei Tagen anordnet. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts steht der Anordnung von Ordnungsmitteln nicht entgegen, dass es sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht Kindesvaters auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG handeln würde.
a) Die Ausgestaltung des § 89 Abs. 1 FamFG als "Kann-Vorschrift" stellt die Anordnung des Ordnungsmittels in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts und berücksichtigt mit dieser Formulierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.4.2008 (BVerfG, Urteil vom 1.4.2008 - 1 BvR 1620/04 -, BVerfGE 121, 69 = NJW 2008, 1287) zur zwangsweisen Durchsetzung einer Umgangsregelung gegen den Willen des umgangsberechtigten Elternteil (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.9.2013 - 5 WF 171/13, FamRZ 2014, 403, zitiert nach juris, Rn. 14; unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 17.8.2011 - XII ZB 621/10, FamRZ 2011, 1729, und BT-Drs. 16/9733 S. 291).
Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung ausgeführt:
Bei der Eignung des Einsatzes von Zwangsmitteln gegen einen Elternteil zur Durchsetzung eines von diesem nicht gewollten Umgangs mit seinem Kind kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Umgang das Kindeswohl gefährden könnte, sondern ob ein solcher Umgang dem Kindeswohl dient. Der Gesetzgeber hat den Eltern die Pflicht zum Umgang mit ihrem Kind auferlegt, um damit das Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern zu bekräftigen. Dieses Recht ist dem Kind in seinem wohlverstandenen Interesse eingeräumt worden. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern für seine Entwicklung von herausragender Bedeutung sei. Damit kommt seine Auffassung zum Ausdruck, dass der Umgang eine emotionale Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern herzustellen oder aufrechtzuerhalten vermag, die Zuwendung des Elternteils während des Umgangs der kindlichen Entwicklung förderlich ist und deshalb der Umgang dem Kindeswohl dient. Diese auf das Kindeswohl bezogene Dienlichkeit rechtfertigt den mit der Inpflichtnahme der Eltern bewirkten Eingriff in ihr Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit. Dies gilt jedoch nur soweit und solange, w...