Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Verkäufers einer Mietimmobilie, die aus einem umfangreichen Wohnungsbestand im Rahmen eines Strukturvertriebes nach Vorlage irreführender und unzutreffender Berechnungsbeispiele über die bei dem Käufer auftretenden finanziellen und steuerlichen Auswirkungen veräußert wird.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 17.06.2003; Aktenzeichen 7 O 712/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 17.6.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der durch die Streithilfe verursachten Kosten. Diese trägt die Streithelferin der Beklagten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 116.461,63 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Kläger begehren im Wege des Schadensersatzes die Rückgängigmachung eines Kaufvertrages über eine in X. belegene Eigentumswohnung, insb. die Zahlung des zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Bruttokredits Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübertragung des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung. Zur Begründung haben sie ausgeführt, ihnen seien bei den Gesprächen über die Finanzierung des Kaufs der Eigentumswohnung zum Kaufanreiz Beispielsrechnungen vorgelegt worden, die die steigende finanzielle Belastung aufgrund der angebotenen Finanzierung über zwei Bausparverträge und die Erträge aus dem Mietpool, dem sie hätten beitreten müssen, nicht richtig wieder gegeben hätten. Die Beklagte müsse sich diese fehlerhafte Beratung zurechnen lassen, weil sie sich bei dem Verkauf der Eigentumswohnung im Rahmen eines Strukturvertriebes über einen größeren Wohnungsbestand aus der in Konkurs geratenen N. einer in D. ansässigen Vertriebsfirma bedient habe, die wiederum über Tochterfirmen und Untervertriebsfirmen Käufer angeworben habe.
Das LG hat der Klage mit Urt. v. 17.6.2003, auf das wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe gem. § 540 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, stattgegeben.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Sie trägt unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, dass den Klägern kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung bei dem Erwerb der von ihnen gekauften Eigentumswohnung zustehe.
Die Berufung der Beklagten ist gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
I. Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 18.9.2003, auf den wegen weiterer Einzelheiten gem. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird, ausgeführt hat, bietet die Berufung der Beklagten keine Aussicht auf Erfolg. Denn das LG hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler i.S.v. § 513 ZPO festgestellt, dass den Klägern in dem in dem Tenor des angefochtenen Urteils genannten Umfang ein Schadensersatz- und Feststellungsanspruch wegen Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Immobilie zusteht.
II. Die Stellungnahmen der Beklagten und ihrer Streithelferin zu dem Hinweisbeschluss mit ihren Schriftsätzen vom 16.10.2003 bzw. 24.10.2003 rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Im Einzelnen gilt danach folgendes:
1. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 27.11.1998 – V ZR 344/97, BGHZ 140, 111 ff. [115] = MDR 1999, 349; BGH v. 14.3.2003 – V ZR 308/02, NJW 2003, 1811 ff. [1812] = MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719) ist die Beratung selbständige Hauptpflicht des Verkäufers aus einem Beratungsvertrag, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt. Dabei steht es einem auf Befragen des Käufers erteilten Rat gleich, wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragverhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das zur Förderung des Geschäfts dienen soll. Diese Voraussetzungen sind – wie das LG zutreffend festgestellt hat – im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Den Klägern ist unstreitig als Ergebnis eingehender Verhandlungen die „Beispielrechnung” vom 18.8.1997 und der „Besuchsbericht” vom 10.9./2.10.1997 übergeben worden. Diese Berechnungsbeispiele sind zwar im Rahmen der Anbahnung der Finanzierungsverträge erstellt worden. Sie dienten aber auch als Instrument zur Vermittlung des Vertragsschlusses über den Kauf der Eigentumswohnung. Denn die in den Berechnungsbeispielen enthaltenen Informationen über die Finanzierungsbelastungen wurden unstreitig als Anreiz für den Erwerb der Eigentumswohnung genutzt. Unter diesen Umständen wurde mit der Beratung der Kläger anhand der Berechnungsbeispiele eine Tätigkeit im Pflichtenkreis der Beklagten als Verkäuferin wahrgenommen (BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/94, MDR 1996, 788 = NJW 1996, 451 [452]; BGH v. 14.3.2003 – V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 ff. [1813]).
b) Die Untervertreter der von der Beklagten mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Eigentumswohnung beauftragte Firma H. GmbH konnten einen Beratungsvertrag zwischen den Pa...