Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland - hier: Ortstermin des vom Gericht bestellten Bausachverständigen zur Feststellung von Baumängeln an einem privaten Wohnhaus - ist ein vorheriges Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaates (Art. 17 Verordnung (EG) Nr. 1206/20019 dann nicht zwingend notwendig, wenn die Hilfe der örtlichen Behörden für die erfolgreiche Durchführung der vom Prozessgericht angeordneten Beweisaufnahme nicht erforderlich ist un der Sachverständige nicht auf hoheitliche Unterstützung oder die Mitwirkung der Justizbehörden des Mitgliedstaates angewiesen ist.
2. Ein Verstoß gegen Art. 17 Verordnung (AG) Nr. 1206/2001 hat grundsätzlich nicht zur Folge, dass die so gewonnenen Beweisergebnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, der Schutzzweck der verletzten Norm verbietet eine Verwertung nicht.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Beschluss vom 06.07.2012; Aktenzeichen 1 O 2377/10) |
Tenor
Das Verfahren wird gem. § 568 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
Die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 6.7.2012 werden zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin und die Beklagte haben in Berufungsbegründung und Berufungserwiderung beanstandet, dass das LG ihre Anträge auf Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung (§ 21 GKG) abgelehnt hat. Diese Rügen wertet der Senat als - gem. § 66 Abs. 2 GKG zulässige - Beschwerden gegen den Beschluss des LG vom 6.7.2012, mit dem die Anträge auf Nichterhebung der durch die Beweisaufnahme, soweit sie die Tätigkeit des Sachverständigen S ... bezüglich des Bauvorhabens ... betrifft, entstandenen Auslagen zurückgewiesen worden sind.
Den nach § 21 GKG gestellten Anträgen liegt zugrunde, dass der zunächst in dieser Sache tätige Einzelrichter ein Gutachten eines Bausachverständigen zu Mängeln eines in den Niederlanden gelegenen Bauvorhabens eingeholt hat, ohne zuvor gem. § 1072 Nr. 1 ZPO, Art 17 Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EG-VO Beweisaufnahme) eine unmittelbare Beweisaufnahme bei den zuständigen niederländischen Behörden zu beantragen. Nach einem Richterwechsel hat der nunmehr zuständige Einzelrichter, der hinsichtlich der Ergebnisse der ohne Zustimmung der niederländischen Behörden durchgeführten Beweisaufnahme von einem Beweisverwertungsverbot ausging, die Beweisaufnahme wiederholt, nachdem er zuvor die Zustimmung der niederländischen Behörden zur örtlichen Inaugenscheinnahme des Bauvorhabens durch den Sachverständigen eingeholt hatte.
Die Parteien haben sowohl die Nichterhebung der Kosten der ersten als auch - hilfsweise - der zweiten Beweisaufnahme wegen fehlerhafter Sachbehandlung beantragt. Diese Anträge hat das LG abgelehnt.
Die dagegen gerichteten Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.
Eine Pflicht zur Nichterhebung von Kosten besteht gem. § 21 GKG nicht schon dann, wenn das Gericht irgendeinen Verfahrensfehler begeht; erforderlich ist vielmehr ein offensichtlich schwerer Verfahrensfehler. Das Gericht muss gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen haben, der Verstoß muss offen zutage treten (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 21 GKG Rz. 5 ff.). Diese Voraussetzungen liegen weder hinsichtlich des Verfahrens des zunächst in dieser Sache tätigen Einzelrichters noch hinsichtlich des Verfahrens nach dem Richterwechsel vor.
Das Verfahren des in dieser Sache zunächst tätigen Einzelrichters, der gemäß Beweisbeschluss vom 25.8.2008 die Begutachtung der Baumängel an einem in den Niederlanden gelegenen Bauvorhaben durch einen deutschen Bausachverständigen angeordnet und durchführen lassen hat, ohne zuvor die zuständigen niederländischen Behörden um die Genehmigung dieser unmittelbaren Beweisaufnahme zu ersuchen (§§ 1072 f. ZPO, Art. 17 EG-VO Beweisaufnahme), war nach Auffassung des Senats nicht fehlerhaft. Die vom Einzelrichter angeordnete Beweisaufnahme fällt allerdings unter den Anwendungsbereich des 17 EG-VO Beweisaufnahme. Das Schrifttum (vgl. etwa Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 363 Rz. 7; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., § 363 Rz. 14; 1073 Rz. 4) geht zwar überwiegend davon aus, dass die unmittelbare Durchführung von Beweisaufnahmen durch einen von einem deutschen Prozessgericht bestellten Sachverständigen eines vorhergehenden Ersuchens an den betroffenen Mitgliedsstaat bedarf, auch wenn diese Einschränkung als bedauerlich und die praktische Bedeutung dieser Beweisaufnahmemethode erheblich mindernd angesehen wird. Im Hinblick auf die Hauptziele der EG-VO Beweisaufnahme, nämlich die Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und die Beschleunigung der Beweisaufnahme, erscheint es jedoch geboten, dass in den Fällen, in denen es für die Beschaffung eines Beweismittels nicht konkret notwendig ist, die G...