Leitsatz (amtlich)

Die völlige Nichtberücksichtigung der gebotenen ergänzenden Auslegung eines Erbvertrages stellt einen wesentlichen Verfahrensmangels dar. Maßgeblichkeit des Parteiwillens für sog. Wertersatzvermächtnisse.

 

Normenkette

BGB § 2169 Abs. 1, 4, § 2288

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 13.10.1993; Aktenzeichen 2 O 1/93)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 13. Oktober 1993 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung auch über die Kosten der Berufung zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger, Sohn des am 20.11.1991 verstorbenen Erblassers macht gegen die Beklagte, zweite Ehefrau des Erblassers, Ansprüche aus einem Vermächtnis und hilfsweise Pflichtteilsansprüche geltend.

Gemäß Erbvertrag vom 10.2.1989 – UR.-Nr. … des Notars R. A. aus M.– setzten sich der Erblasser und die Beklagte gegenseitig zu Erben ein. In den Erbvertrag heißt es u. a. betreffend den Kläger – Sohn des Erschienenen zu 1) –:

„Die auf dem Namen des Erschienen zu 1) lautende ideelle Hälfte des Anwesens F. Grundbuch von Band … Blatt … soll der Sohn des Erschienen zu 1), nämlich H., geboren am …, derzeit wohnhaft F., erhalten”.

Mit Vertrag vom 13.09.1991 – UR-Nr. … desselben Notars – veräußerte der Erblasser seine ideelle Hälfte des vorgenannten Grundstücks unter gleichzeitiger Erklärung der Auflassung für 80.000,– DM. Nach Auflassung der zugunsten Dritter bestehenden weiteren ideellen Hälfte des Grundstücks am 13.2.1992 – UR.-Nr. … desselben Notars – wurde der Erwerber nach entsprechender vorheriger Teilung des Gesamtgrundstückes am 21.7.1992 als Eigentümer dieses neuen (Haus-) Grundstücks eingetragen.

Im Wege der Teilklage begehrt der Kläger primär 10.000,– DM als Teilbetrag des an die Beklagte geflossenen Erlöses von 80.000,– DM.

Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe der gesamte Erlös als Surrogat für das im Erbvertrag ausgestellte Vermächtnis zu. Hilfsweise begehrt er den Pflichtteil in Höhe von 1/20 des Nachlasses, den er insgesamt mit 104.326,81 DM beziffert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 10.000,– DM nebst 8 % Zinsen seit dem 23.7.1992 zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihm 5.216,34 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 23.7.1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Vermächtnis erstrecke sich nicht auf den Veräußerungserlös. Bei der Berechnung des Pflichtteils hat sie dem Kläger lediglich in drei Positionen für die erste Instanz widersprochen; dem hat der Kläger für diese Instanz zugestimmt.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.076,34 DM stattgegeben: Der Erblasser habe über den Vermächtnisgegenstand zu Lebzeiten frei verfügen dürfen. Eine dingliche Surrogation bezüglich des Veräußerungserlöses sehe das Gesetz in den §§ 2019, 2041 BGB nicht vor. Dem Kläger stehe jedoch ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/20 zu, der sich nach Abzug der drei zuerkannten Positionen in Höhe von 2.800,– DM und der Kostenforderung des Notars in Höhe von 6.136,34 DM auf den ausgeurteilten Betrag belaufe.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen geltend gemachten Teilbetrag am Veräußerungserlös insgesamt weiter. Er meint nach wie vor, daß einem Vermächtnisnehmer, wenn der Erblasser während des Veräußerungsvorganges betreffend den Vermächtnisgegenstand stirbt, der an die Stelle des Vermächtnisgegenstandes getretene Erlös zustehe. Es gehe daher lediglich noch um die Rechtsfrage, ob von den 80.000,– DM die auf dem dinglichen Recht stehenden Belastungen in Höhe von 30.000,– DM abzuziehen seien, worüber aber in Anbetracht der geltend gemachten Teilforderung nicht zu entscheiden sei.

Der Erblasser hätte – wie erstinstanzlich unter Beweisantrag vorgetragen und worauf insgesamt Bezug genommen werde – dafür gesorgt, daß er den Erlös erhalte; der Wert des Vermächtnisses habe jedenfalls bei ihm verbleiben sollen, da es dem Erblasser gerade darauf angekommen sei, daß er mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden leben könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Osnabrück abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, insgesamt 10.000,– DM nebst 8 % Zinsen seit dem 23.7.1992 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die angefochtene Entscheidung und bekräftigt, daß sie als Gesamtrechtsnachfolgerin den Veräußerungsvertrag nach dem Tod des Erblassers zu erfüllen gehabt habe. Das Vermächtnis habe der Erblasser dem Kläger nur ausgesetzt, weil er sich darüber gefreut habe, daß dieser sein elterliches Haus bewohnen, instandsetzen und erhalten werde. Nach der Veräußerung habe der Erblasser – wie in der Klageerwiderung bereits vorgetragen – nicht mehr daran gedacht, den Kauferlös dem Kläger zukommen zu lassen; der Erlös sollte vielmehr für die Pflege des Erblassers und ihrer eigenen Pflege eingesetzt werden.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß § ...

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