Leitsatz (amtlich)
1. Die Informationsansprüche gem. § 87c HGB verjähren nach Aufhebung des § 88 HGB in-nerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB.
2. Die Informationsansprüche gem. § 87c HGB verjähren jeweils selbständig. Das gilt auch im Verhältnis zum Provisionsanspruch.
3. Die Entstehung des Buchauszugsrechts (§ 87c Abs. 2 HGB) i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB tritt grundsätzlich mit Erteilung der Abrechnung (§ 87c Abs. 1 HGB) ein.
4. Der Zeitpunkt, zu dem der Handelsvertreter von den den Anspruch begründenden Umstän-den Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), tritt hinsichtlich des Anspruchs auf Buchauszug für jedes einzelne Geschäft erst dann ein, wenn dem Handelsvertreter eine vollständige und abschließende Abrechnung über das jeweilige Geschäft erteilt worden ist.
5. Eine vollständige und abschließende Abrechnung über ein provisionspflichtiges Geschäft liegt regelmäßig dann vor, wenn die vertraglichen Voraussetzungen für die Fälligkeit der Provision eingetreten sind und der Unternehmer auf dieser Grundlage die Abrechnung über die dem Handelsvertreter zustehende Provision erteilt. Dabei kann es sich auch um die Mit-teilung handeln, dass dem Handelsvertreter - etwa aufgrund einer Vertragsstornierung - keine Provision zusteht.
6. Bei Geschäften, für die später eine Korrekturabrechnung erteilt wird, ist für den Beginn der Verjährung in entsprechender Anwendung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Zeitpunkt der Korrekturabrechnung maßgeblich.
7. Der Handelsvertreter kann einen Buchauszug auch über i.S.v. § 87 Abs. 3 HGB an-gebahnte Geschäfte verlangen, wenn die Anbahnung vor Beendigung des Handelsvertreter-vertrages erfolgt ist.
8. Zu den in den Buchauszug aufzunehmenden Angaben.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen 12 O 3033/08) |
Tenor
Auf die Berufungen beider Parteien und unter Zurückweisung des jeweils weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 23.6.2010 verkündete Teilurteil des Vorsitzenden der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des LG Oldenburg teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über folgende Geschäfte mit Kunden, die in den Niederlanden ihren Geschäftssitz haben oder ansässig sind, zu erteilen:
- Geschäfte, die in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2008 zustande gekommen sind; davon ausgenommen sind Geschäfte, für die der Klägerin bis zum 31.12.2005 eine vollständige und abschließende Abrechnung erteilt worden ist;
- Geschäfte, die in der Zeit vom 1.8.2008 bis zum 30.6.2009 zustande gekommen sind und zuvor - bis zum 31.7.2008 - i.S.v. § 87 Abs. 3 HGB angebahnt worden waren.
Der Auszug hat folgende Angaben zu enthalten:
- Auftragsdatum
- Auftragsnummer
- Name und genaue Anschrift des Kunden
- Kundennummer des Kunden (soweit vorhanden)
- Warenart laut Auftrag
- Warenmenge laut Auftrag
- Warenwert lauf Auftrag
- Angabe der Provisionshöhe für das jeweils bestellte Produkt/die bestellte Leistung
- Datum der Auftragsbestätigung bzw. des Vertragsschlusses - Datum der Lieferung bzw. Teillieferungen
- Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen
- Rechnungsdatum
- Rechnungsnummer
- Rechnungsbetrag
- Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen
- bei Zahlungsabzügen: Datum, Grund und Höhe des Abzuges
- bei eingeräumten Boni, Nachlässen und Rabatten: Datum, Grund und Höhe - bei Auftragsstornierungen und Retouren: Zeitpunkt und Grund
- bei ganz oder teilweiser Nichtzahlung: welche Maßnahmen zur Beitreibung der Forderung durchgeführt wurden.
Im Übrigen wird der Klageantrag zu 3a abgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit über den Klageantrag zu 3 (Buchauszug) entschieden worden ist.
Gründe
I. Die Klägerin war seit mehr als 80 Jahren als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Das Vertretungsverhältnis wurde zuletzt durch den Handelsvertretervertrag vom 7.5.1990 (GA I 14 - 18) geregelt. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 2
Das Tätigkeitsfeld beschränkt sich auf die Niederlande.
Der Vertreter vermittelt und verkauft die nachfolgend aufgeführten Waren:
1. Starkstromkabel
2. Starkstromleitungen
3. Steuerleitungen
...
§ 4
I. Für die Belieferung des holländischen Marktes mit Schiffskabel und mit holländischen Typen wie VMVK, VMVKas und Alkudia-Kabel wird die Vertretung des Kabelwerkes Ehlers erlaubt.
Ansonsten ist es dem Vertreter untersagt, bei Vermittlung und Vertrieb von Waren konkurrierender Firmen mitzuwirken. Er darf insbesondere mit solchen Firmen keine Vertreterverträge gem. § 84 H...