Leitsatz (amtlich)
Ist einem Zahnarzt bekannt, dass eine Patientin unter einer Palladium-Allergie leidet und setzt er gleichwohl Brücken mit einer Edelmetalllegierung ein, die 36,4 % Palladium enthält, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 25.02.2005; Aktenzeichen 8 O 3184/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.2.2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Oldenburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2003,
b) weitere 1.388,48 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.3.2003 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die Neuversorgung der von Dr. G. im Jahre 2003 entfernten Brücken und Kronen noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen einer - aus ihrer Sicht - fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung.
Bei der Klägerin wurde im Jahre 1987 eine Allergie gegen Quecksilber und Palladiumchlorid festgestellt. Im Jahre 1994 nahm der Beklagte eine Zahnsanierung bei der Klägerin vor, bei der er Kronen und Brücken einsetzte. Die Brücken bestanden aus der Edelmetalllegierung Heraloy U, die u.a. einen Palladiumanteil von 36,4 % enthielt.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 45.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2003 zu zahlen,
2. an sie weitere 1.388,48 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2003 zu zahlen,
3. an sie weitere 21.464,94 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2003 zu zahlen, (Verdienstausfall für die Zeit vom 4.12.1998 bis 15.2.2004),
4. an sie weitere 11.297,06 EUR (Haushaltsschaden) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2003 zu zahlen,
5. an sie ab dem 15.2.2004 einen monatlichen Haushaltsschaden i.H.v. 211,16 EUR zu zahlen, zahlbar zum 1. eines jeden Monats,
6. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften Behandlung aus August/September 1994 entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Nachweis erbracht habe, dass ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten bei der zahnprothetischen Behandlung die von ihr behaupteten Beeinträchtigungen und Beschwerden verursacht habe. Zwar habe der Beklagte in Kenntnis der Allergie Palladium verwandt. Nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. bestehe bei der Klägerin jedoch nur eine Sensibilisierung ggü. Palladiumchlorid und Quecksilber von 1 %. Die von der Klägerin aufgezählten Symptome wie Nieren- und Blasenentzündung, Magen- und Darmprobleme, Stoffwechselstörungen, Ödeme im Bereich der Augen, Schlaflosigkeit, Schwäche, Konzentrationsschwäche und Muskelschmerzen im Bereich des Rückens, des Nackens, der Schulter, der Arme und der Hände, Gürtelrose am Kopf, Schwindel, Ohrenschmerzen, Sehstörungen und Migräneanfall seien nicht mit einer kontaktallergischen Reaktion im Mundraum in Verbindung zu bringen. Es gebe keine wissenschaftlich beweisbaren Studien darüber, dass die Ursache dieser Erkrankungen in einer Palladiumbelastung liege.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, das LG habe nicht berücksichtigt, dass dem Beklagten ein grober Behandlungsfehler unterlaufen sei, weil er trotz der Eintragungen im Allergiepass und entgegen den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde eine palladiumhaltige Legierung verwandt habe. Dieser grobe Behandlungsfehler führe zu einer Umkehr der Beweislast, da er geeignet sei, die eingetretenen Gesundheitsschäden der Klägerin zu verursachen. Dies belegten auch die bei seiner mündlichen Anhörung protokollierten Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. Zwar habe dieser in seinem schriftlichen Gutachten vom 27.6.2004 angenommen, die fortbestehenden B...