Leitsatz (amtlich)
Ist im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu prüfen, ob eine konkrete Verweisung auf einen anderen Beruf dem Versicherungsnehmer finanziell zuzumuten ist, muss der Ursprungsverdienst jedenfalls dann zu Vergleichszwecken auf den Vergleichszeitpunkt fiktiv fortgeschrieben werden, wenn die Einkünfte aus dem Vergleichsberuf einen erheblich späteren Zeitraum betreffen.
Die danach vorzunehmende Fortschreibung hat sich regelmäßig nach der konkreten Lohnentwicklung im Ursprungsberuf und nicht nach der allgemeinen Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu richten.
Verfahrensgang
LG A. (Urteil vom 15.04.2016) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.4.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG A. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Leistungspflicht der Beklagten aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unter der Versicherungsnummer (...) unverändert fortbesteht und insbesondere nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 28.4.2015 wegen der von der Beklagten behaupteten vergleichbaren Tätigkeit des Klägers zu seiner vorherigen Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur erloschen ist.
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, ab dem 1.8.2015 Beiträge zu der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsnummer: (...)) zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der im März 1968 geborene Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend. Er ist zunächst als ausgebildeter Gas- und Wasserinstallateur tätig gewesen. Seit 2002 ist er aus gesundheitlichen Gründen zu mindestens 50 % außerstande, diesen Beruf auszuüben. Die Beklagte zahlte ihm deshalb ab Juli 2002 die vertraglich vereinbarte Rente. Inzwischen arbeitet der Kläger - nach einer Umschulung - als Technischer Zeichner. Mit Wirkung vom 1.8.2015 stellte die Beklagte ihre Leistungen ein. Zur Begründung teilte sie dem Kläger unter dem 28.4.2015 mit, sein neuer Beruf sei mit der ursprünglich ausgeübten Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur vergleichbar.
In der ersten Instanz hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Leistungspflicht der Beklagten aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unverändert fortbestehe und insbesondere nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 28.4.2015 wegen der angeblich vergleichbaren Tätigkeit erloschen sei. Daneben hat er beantragt festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, seit dem 1.8.2015 Beiträge zu der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu zahlen. Außerdem hat er einen Betrag in Höhe von 530,00 EUR nebst Zinsen geltend gemacht und eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 984,60 EUR begehrt.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Tätigkeit des Klägers als Technischer Zeichner bilde einen Verweisungsberuf im Sinne der Versicherungsbedingungen. Dem stehe, so die Einzelrichterin, auch der Umstand nicht entgegen, dass das Einkommen, welches der Kläger als Technischer Zeichner erziele, den fiktiven Lohn unterschreite, den er inzwischen als Gas- und Wasserinstallateur erhalten würde. Wegen der Begründung im Einzelnen und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Meinung, das LG habe bei der Fortschreibung des Lohns als Gas- und Wasserinstallateur zu Unrecht an den Lebenshaltungsindex angeknüpft. Tatsächlich, so der Kläger, sei die tarifliche Weiterentwicklung des betreffenden Lohns zu berücksichtigen. Gemessen daran verdiene er als Technischer Zeichner rund 30 % weniger. Eine derartige Einkommenseinbuße sei ihm nicht zumutbar.
Im Übrigen führe selbst die vom LG errechnete Einkommenseinbuße in Höhe von 17,1 % zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit als Technischer Zeichner keinen Verweisungsberuf darstelle, weil sie in ihrer Vergütung spürbar unter dem Niveau seines ursprünglich ausgeübten Berufs liege.
Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil abzuändern und
1. festzustellen, dass die Leistungspflicht der Beklagten aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unter der Versicherungsnummer (...) unverändert fortbesteht und insbesondere nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 28.4.2015 wegen der von der Beklagten behaupteten ...