Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 27.10.1995; Aktenzeichen 4 O 283/93) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld mit der Begründung, die Beklagten hätten durch fehlerhafte ärztliche Behandlung ihre Erblindung verschuldet.
Die Klägerin wurde am 8. November 1989 in der 27. Schwangerschaftswoche durch Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Der errechnete Geburtstermin war der 7. Februar 1990. Die Geburt fand in der Universitätsklinik in ... statt. Die Klägerin blieb bis zum 31. Januar 1990 in der dortigen Kinderklinik. Am 31. Januar 1990 wurde sie von ... aus in das ...-Krankenhaus verlegt. Die Beklagte zu 1) ist Träger dieses Krankenhauses. Der Beklagte zu 2) ist Leitender Arzt der Kinderklinik. In dem Verlegungsbericht der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde der Universität vom 31. Januar 1990, der an den Beklagten zu 2) gerichtet ist, wird unter anderem das Ergebnis einer augenärztlichen Untersuchung vom 18. Januar 1990 wie folgt mitgeteilt: "Beidseits große avaskuläre Zonen. Beidseits Reste der Pupilarm-Membran. Kontrolle in zwei Wochen". Am Ende des Berichts wurden folgende Empfehlungen ausgesprochen:
"Wir bitten um Kontrolle des EEG-Befundes in 3 Wochen, ferner bitten wir um Kontrolle des EKG-Befundes und um augenärztliche Kontrolluntersuchungen.".
Entgegen dieser Empfehlung wurden im Krankenhaus der Beklagten keinerlei augenärztliche Kontrolluntersuchungen durchgeführt, obwohl bei Frühgeborenen die bekannte Gefahr der Erblindung durch Netzhautablösung besteht. Am 9. März 1990 wurde die Klägerin in ambulante kinderärztliche Behandlung entlassen. Am 23. Mai 1990 stellte der Augenarzt Dr. B. in ... beidseitige Netzhautablösungen durch Frühgeborenen-Retinopathie (ROP) im Stadium IV A fest. Er überwies das Kind in die Augenklinik der Universität ... in der das ROP-Stadium V festgestellt wurde. Operationen am rechten Auge am 7. Juni 1990 und am linken Auge am 26. Juni 1990 und 4. Oktober 1990 blieben erfolglos, da die Netzhaut beidseitig abgehoben blieb. Die Klägerin ist vollständig erblindet.
Sie hat vorgetragen, die versäumten Kontrolluntersuchungen der Augen im Hause der Beklagten seien dafür ursächlich, dass bei ihr die Frühgeborenen-Retinopathie nicht rechtzeitig erkannt und infolgedessen nicht rechtzeitig durch Kryokoagulation behandelt worden sei. Wenn eine solche Maßnahme rechtzeitig durchgeführt werde, sinke die Erblindungsquote auf statisch gesehen 25 %. Außerdem wäre es bei rechtzeitiger Behandlung zumindest nicht zu einer völligen Erblindung gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 19.000 DM für den Zeitraum vom 31. Januar 1990 bis zum 31. März 1991 nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 500 DM, beginnend ab 1. April 1993, jeweils monatlich im Voraus, zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, die Behandlung der Frühgeborenen-Retinopathie hätte bis spätestens 6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin stattfinden müssen. Zu dieser Zeit habe sich die Klägerin noch in der Universitätsklinik in ... befunden. Dort sei im Übrigen bereits am 18. Januar 1990 bei der augenärztlichen Untersuchung der Befund fehlinterpretiert worden. Zu Beginn der Behandlung durch den Beklagten zu 2) habe bereits das Stadium ROP IV vorgelegen, so dass die Erblindung nicht mehr habe verhindert werden können.
Das Landgericht hat nach Einholung eines augenärztlichen Gutachtens des Privatdozenten Dr. med. ..., Universitätsklinikum ..., die Klage abgewiesen mit der Begründung, es sei zwar im Krankenhaus in ... versäumt worden, augenärztliche Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Die Klägerin könne aber nicht beweisen, dass ihre Erblindung darauf beruhe. Ärztliche Versäumnisse bei einer Befunderhebung könnten für den Patienten nur dann Beweiserleichterungen begründen, wenn dadurch die Aufklärung eines wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen ärztlichem Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden erschwert oder vereitelt werde. Im vorliegenden Fall sei der richtige Zeitpunkt für eine Operation nach der Verlegung der Klägerin in das Krankenhaus in ... bereits verstrichen gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.
Sie macht geltend, das Urteil des Landgerichts leide an einem Verfahrensfehler, weil der Rechtsstreit entschieden worden sei, obwohl das Sachverständigengutachten keine abschließende Beurteilung zur Frage der Kausalität enthalte. Das Gutachten sei daher unvollständig und müsse ergänzt oder erläutert werden. Im Übrigen sei die Nichterhebung des Diagnose- und Kontrollbefundes ein grober Behandlungsfehler. Das gelte insbesondere bei einer retrolentalen Fribroplasie bei einem Brutkastenkind unter Sauerstoffbeatmung. Der Klägerin kämen daher Beweiserleichterungen zugute.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und den ...