Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Ansicht des BGH ist ein Wohnungsrecht vom Wert des übertragenen Grundstücks nur dann in Abzug zu bringen, wenn hinsichtlich des Wertes auf den Zeitpunkt der Übergabe abzustellen ist.

2. Der Senat vermag dieser Auffassung des BGH -jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem die tatsächliche Nutzungsdauer des Wohnrechts zu dem kapitalisierten Wert des Wohrechts außer Verhältnis steht- mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Bewertungsvorschrift des 2325 Abs. 2 S. 2 BGB und unter Berücksichtigung des starken Schutzes, den ein Pflichtteilsberechtigter gegen ihn benachteiligende Schenkungen genießt (§ 2325, 2329 BGB), nicht zu folgen.

3. Dies gilt inbesondere in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Erblasser kurze Zeit nach der Schenkung verstirbt und die tatsächliche Nutzungsdauer des Wohnrecht in keinem Verhältnis zu dem kapitalierten Wert des Wohnrechts steht.

 

Normenkette

BGB § 2325

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 12.05.1998)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12. Mai 1998 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen geändert und wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.000.-DM nebst 4% Zinsen seit dem 10.3.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 2/3 und dem Beklagten zu 1/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird jeweils nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000.-DM. Die Revision des Beklagten wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister und die einzigen Kinder der am 1.4.1997 verstorbenen W….B…., geb. H…, geb. W…. Die Erblasserin hinterließ keine letztwillige Verfügung.

14 Monate vor dem Erbfall, am 9.2.1996, schlossen die Erblasserin und der Beklagte einen notariell beurkundeten Vertrag, mit dem die Erblasserin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihr mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück (Flur … Flurstück … Gemarkung D…., eingetragen im Grundbuch von D…. Band … Blatt …) auf den Beklagten übertrug. Das Grundstück, dessen Wert in dem Vertrag mit 410.000.-DM beziffert wurde, stellte das wesentliche Vermögen der Erblasserin dar. Der Beklagte übernahm mit dem Eigentumserwerb die im Grundbuch eingetragenen Verbindlichkeiten, die im Vertrag mit 96.610.-DM angegeben wurden. Ferner räumte er der Erblasserin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der im Hausanbau hinter dem Haupthaus gelegenen Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad, Flur und Heizungsraum, ein und bewilligte die Eintragung eines Wohnungsrechts als beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch. Der Jahreswert des Wohnrechts wurde im Vertrag mit 6.000.-DM jährlich angegeben. Weiter ist in dem Vertrag ausgeführt, daß der Beklagte sich verpflichtet, bis spätestens zum 30.4.1996 an die Klägerin einen Betrag von 10.000.-DM zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vertrag:

„Eine vollständige Abfindung der Schwester ist mit der Zahlung dieses Betrages nicht beabsichtigt; dieser stehen unter Berücksichtigung des gezahlten Betrages im künftigen Erbfall alle Erb- und Pflichtteilsansprüche zu. Im übrigen gilt folgendes:

Soweit der Wert des übertragenen Gegenstands die Gegenleistungen übersteigt, hat der Erschienene zu 2. diesen Wert bei einer künftigen Erbfolge zur Ausgleichung zu bringen, bzw. auf seine Pflichtteilsansprüche am Nachlaß der Erschienenen zu 1. anrechnen zu lassen.

Die Ausgleichung hat unter Zugrundelegung des heutigen Verkehrswerts des um die Gegenleistungen verminderten Vertragsgegenstands zu erfolgen.

Die Erschienene zu 1. und der Erschienene zu 2. vereinbaren hiermit ausdrücklich im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB, daß die Schwester des Erschienenen zu 2. und Tochter der Erschienene zu 1., Frau A…. S…., auch über die Dauer von zehn Jahren hinaus ihre Rechte gemäß § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen) geltend machen kann. Die gesetzliche Zehnjahresfrist zur Geltendmachung gemäß § 2325 Abs. 3 BGB soll im Verhältnis der Geschwister untereinander nicht gelten.

Soweit nicht die vorstehend vereinbarte Ausgleichungs- und Anrechnungspflicht des Erschienenen zu 2. zu einer vollen Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs der Schwester A… S… führt, soll diese berechtigt sein, auch nach Ablauf von zehn Jahren ab Zuwendung des Vertragsgegenstands noch Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Bruder geltend zu machen. Der Erschienene zu 2. erkennt diese Verpflichtung ausdrücklich an.

Im übrigen erfolgt die Zuwendung unentgeltlich.”

Der Beklagte leistete den vereinbarten Betrag von 10.000 DM an die Kläge...

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