Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 10 O 749/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 24.05.2018 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt bis zu 19.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24.05.2018, durch das festgestellt worden ist, dass die Klägerin Miterbin zu 1/6 am Nachlass der am TT.MM.2016 verstorbenen DD (Erblasserin) geworden ist.

1. Die verwitwete Erblasserin hatte sieben eheliche Kinder, darunter die Klägerin und die Beklagte zu 1. Ein Kind verstarb im Säuglingsalter. Der Beklagte zu 2. ist der Sohn der Beklagten zu 1.

Die Erblasserin verfasste 1973 zusammen mit ihrem am TT.MM.2001 verstorbenen Ehemann ein notarielles, gemeinschaftliches Testament. Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu alleinigen Erben ein, mit der Maßgabe, dass der Überlebende über das Nachlassvermögen des Erstversterbenden frei verfügen können sollte. Weiter heißt es in dem Testament:

"2. Zu Erben des Überlebenden von uns berufen wir unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen. 3. Der Überlebende erhält jedoch das Recht, die Erbfolge unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern und anderweitig bestimmen zu können."

Es existiert ein weiteres, mit dem Namen der Erblasserin unterschriebenes, handschriftliches Testament, datiert 20.12.2001. Hier heißt es: "Erbe ist auf meinen Wunsch AA und BB je zur Hälfte. Sie müssen den Geschwistern den Pflichtteil auszahlen."

2. Die Klägerin beantragte im Verfahren 67 VI 988/16 (Amtsgericht Osnabrück) einen Erbschein, nach dem die Erblasserin von ihren sechs Kindern zu je 1/6 beerbt worden ist. Die Beklagte zu 1) beantragte den Erlass eines Erbscheins, der die Beklagten zu je 1/2 als Erben ausweist. Die Klägerin vertrat die Auffassung, das Testament aus dem Jahr 2001 sei unwirksam. Denn es stehe im Widerspruch zu dem bindenden gemeinschaftlichen Testament, nach dem der überlebende Ehegatte nur zugunsten von gemeinschaftlichen Abkömmlingen - hiermit seien nur die gemeinsamen Kinder gemeint - verfügen dürfe. Das Testament sei im Übrigen auch nicht selbst geschrieben worden. Nur die Unterschrift stamme von der Erblasserin.

Das Nachlassgericht entschied im Sinne der Klägerin und begründete dies damit, dass das Wort "Abkömmlinge" in dem gemeinschaftlichen Testament als "Kinder" auszulegen sei. Denn es sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch gar nicht klar gewesen, ob und gegebenenfalls wie viele Nachkommen die Kinder später einmal haben würden. Auch die Ausgestaltung als Berliner Testament spreche für diese Auslegung.

Die Beklagte zu 1. legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Sie argumentierte, der Begriff "Abkömmlinge" in dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten aus dem Jahre 1973 sei so auszulegen, dass hiermit nicht nur die Kinder der Ehegatten, sondern sämtliche Abkömmlinge, also auch Enkelkinder gemeint gewesen seien.

Die Klägerin und drei weitere Geschwister vertraten weiterhin die Auffassung, das privatschriftliche Testament der Erblasserin aus dem Jahre 2001 sei unwirksam. Die Erblasserin sei aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahre 1973 nicht zu einer Abänderung zu Gunsten der Beklagten befugt gewesen. Eine Abänderung sei allenfalls zu Gunsten gemeinsamer Kinder - nicht aber Enkel - möglich gewesen. Darüber hinaus sei das Testament aus dem Jahre 2001 von der Erblasserin nicht handschriftlich verfasst worden.

Der Senat änderte den Beschluss des Nachlassgerichts und erachtete die Tatsachen für festgestellt, nach denen die Beklagten Erben zu je 1/2 geworden sind. In dem Senatsbeschluss heißt es:

"Der Begriff "Abkömmlinge" in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 1973 ist so auszulegen, dass hiermit alle Abkömmlinge und nicht nur Kinder gemeint sind. Hierfür spricht bereits der Wortlaut, der eine Einschränkung nicht vornimmt. Sofern eine Einschränkung auf Kinder und damit eine untechnische Nutzung des Wortes "Abkömmlinge" beabsichtigt gewesen wäre, hätte es nahegelegen, diese Einschränkung in das Testament aufzunehmen und eine übliche Formulierung zu wählen, wie etwa "unsere gemeinsamen Abkömmlinge oder deren Abkömmlinge" oder "unsere gemeinsamen Abkömmlinge nach Stämmen" oder "unsere gemeinsamen Abkömmlinge nach der gesetzlichen Erbfolge". Dies ist vorliegend nicht geschehen, so dass davon auszugehen ist, dass das Wort "Abkömmlinge" keiner Einschränkung unterliegen sollte. Die Tatsache, dass das Testament vor einem Notar abgeschlossen wurde, streitet ebenfalls dafür, das Wort "Abkömmlinge" im rechtlichen Sinne zu verstehen. Für diese Auslegung spricht auch, dass die Kinder der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentsabfassung auch sämtlich bereits geboren waren. Das jüngste Kind war bereits neun Jahre alt. Vor diesem Hi...

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