Leitsatz (amtlich)

1. Kann ein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen Pflegebedürftigkeit des Wohnungsberechtigten nicht mehr ausgeübt werden, führt die ergänzende Vertragsauslegung nicht ohne weiteres zu einem Anspruch des Wohnungsberechtigten auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung.

2. Die Entstehung einer Zahlungspflicht durch Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt voraus, dass die Vertragsparteien einen möglichen Eintritt der Pflegebedürftigkeit nicht vorhergesehen haben.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 06.06.2007; Aktenzeichen 13 O 465/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.6.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus übergeleitetem Recht Zahlung einer monatlichen Geldrente und stützt dies auf ein lebenslängliches Wohnungsrecht der Mutter des Beklagten.

Durch Teilungserklärung vom 3.3.1981 wurde das 1981 erbaute Doppelhaus auf dem Grundstück H. 5 und 7 in O. in zwei abgeschlossene Wohnungen geteilt, nämlich in das "Erdgeschoss rechts" und das "Erdgeschoss links". Die Mutter des Beklagten war Eigentümerin der Wohnung "Erdgeschoss links", H. 5, mit einer Gesamtwohnfläche von 94,80 qm auf zwei Etagen.

Mit Vertrag vom 5.7.1991 übertrug die Mutter des Beklagten diesem das Eigentum an dem Grundbesitz. Im Gegenzug übernahm der Beklagte Grundschulden, die seinerzeit mit ca. 146.000 DM valutierten, und verpflichtete sich, nach dem Tod seiner Mutter an seinen Bruder 32.500 DM zu zahlen. Ferner gewährte er seiner Mutter ein lebenslängliches freies Wohnungsrecht nach § 1093 BGB. Hierzu heißt es in dem Vertrag unter "IV. Wohnungsrecht":

"Der Erschienene zu 2) gewährt seiner Mutter, der Erschienen zu 1), hiermit ein lebenslängliches freies Wohnungsrecht nach § 1093 BGB an den gesamten Räumlichkeiten der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses H. 5, O., Gemarkung O., Band ..., BlatT., jedoch mit Ausnahme des auf dem Grundstück errichteten Carport. Das Wohnungsrecht soll im Grundbuch eingetragen werden."

Am 26.9.1991 wurde das Wohnungsrecht unter Bezugnahme auf die Bewilligung im Grundbuch eingetragen. Zur Zeit des Übertragungsvertrages bewohnte die Mutter des Beklagten das Erdgeschoss des Hauses, während das Obergeschoss damals von seinem Vater bewohnt wurde. Seit mehreren Jahren ist das Obergeschoss vermietet. Der Beklagte erzielt derzeit einen monatlichen Mietzins von 220 EUR kalt. Am 20.8.2002 schloss der Beklagte mit seiner Mutter einen Mietvertrag über das Erdgeschoss der Eigentumswohnung im Hause H. 5 zu einer monatlichen Kaltmiete von 220 EUR ab. Tatsächlich zahlte die Mutter in der Folgezeit nur die Nebenkosten.

Anfang November 2005 wurde die Mutter des Beklagten im Rahmen einer Kurzzeitpflege, seit dem 30.11.2005 unter Einstufung in Pflegestufe II zur Dauerpflege in ein Seniorenstift aufgenommen. Der Anteil der ergänzenden Sozialhilfe beläuft sich auf monatlich 725,43 EUR. Ihre Wohnung steht seitdem leer. Mit Bescheid vom 28.3.2006 leitete die Klägerin den Anspruch der Mutter auf Zahlung einer Geldrente von 330 EUR wegen des nicht genutzten Wohnungsrechts auf sich über (Bescheid vom 28.3.2006). Mit weiterem Bescheid vom 11.4.2007 leitete die Klägerin den Anspruch der Mutter des Beklagten auf Auskehrung der für die Vermietung des Obergeschosses des Hauses H. 5 vereinnahmten Mieten auf sich über.

Die Klägerin hat vorgetragen, auch die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses H. 5 sei spätestens seit Februar 2006 vermietbar. Die Rückkehr in die Wohnung sei angesichts des gesundheitlichen Zustands der Mutter des Beklagten ausgeschlossen. Ein monatlicher Mietzins von 330 EUR sei erzielbar. Der für das Obergeschoss vereinnahmte Mietzins sei an sie auszukehren.

Der Beklagte ist der Meinung, die Voraussetzungen für eine Umwandlung des Wohnungsrechts in einen Zahlungsanspruch lägen nicht vor.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus Art. 16 Nds. AGBGB entfalle, weil ein Altenteilsrecht im Sinne dieser Vorschrift nicht vereinbart worden sei. Eine Umwandlung des vertraglichen Wohnungsrechts in einen Zahlungsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheide aus, weil es an einer unvorhergesehenen Änderung der Geschäftsgrundlage fehle. Schließlich könne die Klägerin eine Vertragsanpassung nicht aus der Entscheidung des BGH vom 19.1.2007 (V ZR 163/06) herleiten, weil es an einer zwischen den Parteien getroffenen Vermietungsvereinbarung fehle.

Mit der Berufung hat die Klägerin zunächst nur den Anspruch auf Zahlung einer Geldrente für die Wohnung im Erdgeschoss i.H.v. 330 EUR ab dem 1.2.2006 weiterverf...

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