Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 21.10.1993; Aktenzeichen 9 O 80/92) |
Tatbestand
Die am 9. März 1977 geborene Klägerin litt im Jahre 1990 an einer juvenilen Knochenzyste am linken Bein im Bereich der Fibula. Während eines stationären Aufenthalts in der Zeit vom 27. März bis 12. April 1990 im ...-Krankenhaus in ... wurde sie am 28. März 1990 von dem Beklagten, der dort Belegarzt ist, operiert. Seit der Operation leidet die Klägerin an einer Fußheberparese. Am 23. Juli 1990 führte Professor Dr. von W. im ...-Hospital in ... eine Revisionsoperation durch. Nach seiner Feststellung war der Nervus peronaeus durchtrennt und die Enden des Nerven hatten sich bereits auf eine Länge von 5-6 cm voneinander entfernt, so dass nur noch einige kleinere Nervenäste zusammengefügt werden konnten.
Die Klägerin leidet immer noch an den Folgen der Lähmung.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe bei der Operation den Nerv nicht dargestellt und dadurch einen groben Behandlungsfehler begangen. Der Nerv sei bei der Operation vollständig durchtrennt worden. Die Fußheber-Parese, unter der sie seitdem leide, sei irreparabel.
Der Beklagte hafte auch deshalb, weil er sie über diese mögliche Folge der Operation nicht aufgeklärt habe. Außerdem hätte er nach der Operation sofort eine Revisionsoperation veranlassen müssen, um die Heilungschancen zu erhöhen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie materiellen Schadensersatz in Höhe von 3.167,70 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 11.11.1990 zu zahlen,
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, den sie aufgrund der am 28.3.1990 durchgeführten Operation haben wird, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat einen Behandlungsfehler bestritten und vorgetragen, er habe die Klägerin ausreichend über die mit der Operation verbundenen Risiken aufgeklärt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens, das der Sachverständige Dr. E. erstattet, schriftlich ergänzt und mündlich erläutert hat.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.340,10 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24.3.1992 sowie Schmerzensgeld in Höhe von 45.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.11.1990 zu zahlen. Ferner hat das Landgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, der Sachverständige Dr. E. habe in diesem Prozess im Laufe der Zeit unterschiedliche Stellungnahmen zu der Frage abgegeben, ob der Nervus peronaeus in jedem Fall hätte dargestellt werden müsse. Er bestreite, dass dies in allen Lehrbüchern als zwingend erforderlich angegeben werde.
Der Nerv sei bei der Operation auch nicht durchtrennt worden. Das könne entgegen der Auffassung des Sachverständigen auch später geschehen sein. Der Sachverständige Dr. E. verfüge als Chirurg nicht über die erforderliche spezielle Sachkunde. Der Schaden werde auch der Höhe nach bestritten. Die Kostenentscheidung müsse überprüft werden, da zunächst das unzuständige Landgericht Münster angerufen worden sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und ergänzt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Der Senat hat ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt, das der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. B. schriftlich erstattet und mündlich erläutert hat.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht hat zutreffend einen Behandlungsfehler des Beklagten bejaht. Die Behandlung durch den Beklagten entsprach nicht dem ärztlichen Standard, da er den Peronaeusnerv bei der Operation nicht dargestellt hat. Schon den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. ist zu entnehmen, dass jedenfalls nach seiner Auffassung ein Operateur, der es unterlässt, den Nerv freizulegen, zwar nicht einen als schwer zu bewertenden Behandlungsfehler begeht, dass aber - wie er zuletzt bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens klargestellt hat - in jedem Lehrbuch steht, dass der Nerv bei einer derartigen Operation freizulegen ist. Der Beklagte hat keine Literaturstellen benennen können, in denen abweichende Empfehlungen gegeben werden. Wegen der voraufgegangenen zum Teil mehrdeutigen schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. hat der Senat ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt, das der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. B. schriftlich erstattet und mündlich erläutert hat.
Auch dieser Sachverständige ist bei ...