Leitsatz (amtlich)

Bei Beauftragung eines Sachverständigen durch den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft erstreckt sich die Befugnis des Aufsichtsrats auch auf die gerichtliche Vertretung der Aktiengesellschaft bei Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis.

 

Normenkette

AktG § 111 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen 4 O 2039/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.03.2018; Aktenzeichen II ZR 359/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 12.02.2015 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nach-gelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird unter Beschränkung auf die Zulässigkeit des Hilfsantrags (Berufungsantrag der Beklagten) zugelassen.

Der Streitwert wird auf 81.224,21 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Honorars aus einem Sonderprüfungsauftrag.

Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft. Die Beklagte ist als Aktiengesellschaft auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien tätig.

Mit Schreiben vom 01.08.2011 unterbreitete die Klägerin dem Aufsichtsrats-vorsitzenden der Beklagten ein Angebot für eine Sonderuntersuchung. Vorangegangen war ein Gespräch, in welchem der Klägerin der Gegenstand des in Rede stehenden Prüfauftrages dargelegt und das zu erwartende Kosten-volumen von ihr mit ca. 30.000 - 40.000 EUR eingeschätzt worden war. Bei näherer Prüfung stellte die Beklagte fest, dass sich der zu erwartende Honorarbedarf auf ca. 70.000 bis 80.000 EUR belaufen würde, worauf sie den Aufsichtsrat der Beklagten in einem weiteren Gespräch hinwies. Im schriftlichen Angebot schätzte sie den Zeitbedarf dementsprechend auf 30 bis 40 Arbeitstage ein, wobei zwischen den Parteien der Ansatz eines 10 Stunden Arbeitstages außer Streit steht. Das Stundenhonorar wurde mit einem Rahmen von 180 bis 200 EUR angegeben.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Herr Dr. X...nahm das Angebot unter dem 02.08.2011 schriftlich an, wobei er sich ausdrücklich mit der Geltung der Regelungen des Angebots und der allgemeinen Auftrags-bedingungen der Klägerin einverstanden erklärte, jedoch - bezugnehmend auf eine telefonische Bestätigung von Mitarbeitern der Klägerin - mit der hand-schriftlich eingefügten Modifikation, dass sich das Stundenhonorar auf

180,-EUR belaufe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Angebot vom 01.08.2011 nebst Anlagen sowie die Zustimmungserklärung vom 02.08.2011 (Anlage K1 zur Klageschrift vom 05.09.2014, Blatt 42-59 Bd. I) Bezug genommen.

Gegenstand des Sonderauftrages war die Prüfung strittiger Zahlungs-verpflichtungen gegenüber einem Lieferanten, von Unterschlagungsvorwürfen im Geschäftsbetrieb einer Tochtergesellschaft sowie Vorgängen um eine fehlgeleitete Überweisung in einer anderen Tochtergesellschaft. Hintergrund war eine bevor-stehende Hauptversammlung der Beklagten am 26.08.2011, bei der deren Vorstand sich zu den entsprechenden Vorwürfen äußern sollte.

Einen in Ausführung des Auftrags erstellten Berichtsentwurf erhielt die Beklagte per E-Mail am 22.08.2014. An der Hauptversammlung nahm als Vertreter der Klägerin Herr M... K... teil. Im Anschluss an die Veranstaltung bedankte sich die Mitarbeiterin Frau G....bei Herrn K.... für "das großartige Ergebnis innerhalb dieser kurzen Zeit".

Die Klägerin übersandte der Beklagten sodann eine Rechnung vom 06.09.2011 über 91.224,21 EUR. Die Beklagte zahlte darauf 10.000,- EUR. Als weitere Zahlungen trotz außergerichtlicher Mahnungen ausblieben, leitete die Klägerin ein Mahnverfahren ein.

Im Mahnverfahren gegen die beklagte Aktiengesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, hat die Beklagte durch den Vorstand bzw. dessen Vorsitzenden Widerspruch eingelegt. Das zuständige Mahngericht hat den Erlass eines Vollstreckungsbescheides daraufhin abgelehnt. Nach erfolgloser Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen diese Entscheidung seitens der Klägerin wurde das Mahnverfahren ins streitigen Verfahren übergeleitet.

Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Beklagte bei Einlegung des Widerspruchs nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei.

Sie hat beantragt,

der Klägerin gegen die Beklagte einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 81.224,21 EUR zzgl. 8 % Zinsen hierauf seit dem 06.09.2011, über weitere 1.680,10 EUR Nebenforderung (Anwaltsvergütung vorgerichtliche Tätigkeit) sowie 844,50 EUR Kosten des Mahnverfahrens zu erteilen.

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 81.294,21 EUR zzgl. 8 % Zinsen seit dem 06.09.2011, ebenso weitere 16.80,10 EUR sowie

844,50 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt...

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