Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Vereinbarkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern mit dem AGBG
Normenkette
AGBG §§ 3, 6, 9
Gründe
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist gemäß § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden; hierbei ist der das Kostenrecht der ZPO beherrschende Grundsatz zu beachten, wonach die in der Hauptsache voraussichtlich unterliegende Partei auch in die Verfahrenskosten verurteilt werden muß. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall dazu, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen; denn ohne die zwischenden Parteien während des Berufungsverfahrens erzielte Einigung wäre ihre Berufung zurückgewiesen worden.
Die von der Beklagten übernommenen Bürgschaften enthalten die Klausel, daß sie „für den Fall der Inanspruchnahme auf erste schriftliche Anforderung zahlen werde, ohne berechtigt und verpflichtet zu sein, die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche des Auftraggebers zu überprüfen”. Es handelt sich damit um eine sogenannte Bürgschaft auf erstes Anfordern (vgl. dazu grundsätzlich BGHZ 74, 244 ff.; Horn, NJW 1980, 2153 ff.). Da die Bürgschaftserklärungen eine betragsmäßige Grenze enthalten, bis zu der die Beklagte der Klägerin äußerstenfalls haften will, sind sie gleichzeitig Höchstbetragsbürgschaften.
Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern sollen dem Gläubiger sofort liquide Mittel zugeführt werden, wenn er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Die Anforderungen an die Erklärung, welche die vorläufige Zahlungspflicht auslöst, sind deshalb streng formalisiert und beschränken sich auf das, was in der Verpflichtungserklärung als Voraussetzung der Zahlung genannt und für jeden ersichtlich ist. Der Berechtigte muß – was im vorliegenden Fall geschehen ist – das erklären, was als Voraussetzung der Zahlung auf erstes Anfordern in der Bürgschaft niedergelegt ist. Der Bürge muß sodann die geforderte Summe vorläufig zahlen, ohne Einwendungen gegen Grund und Höhe des Anspruchs aus der Bürgschaft geltend machen zu können. Einwendungen, die sich nicht gegen das Vorliegen der von den Bürgen akzeptierten formalen Voraussetzungen der Zahlungsanforderungen richten, sind in den Rückforderungsprozeß verwiesen und können grundsätzlich nur dort geltend gemacht werden. In diesem Prozeß ist dannüber den materiellen Anspruch aus der Bürgschaft zu entscheiden, also darüber, für welche Hauptforderung und bis zu welchem Zeitpunkt sich das Kreditinstitut verbürgt hat und ob die verbürgte Hauptforderung besteht (vgl. dazu BGH NJW 1994, 380, 381; NJW-RR 1990, 1265 ff.; NJW-RR 1989, 1324, 1325 ff.; NJW 1985, 1694 f.). Die einer Garantie ähnliche Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gehört deshalb zu den Bankgeschäften und ist Kreditinstituten und Versicherungen vorbehalten, weil nur diese die damit verbundenen besonderen Risiken zu erkennen und abzuschätzen in der Lage sind.
Das Recht des Gläubigers, sofortige Zahlung verlangen zu können, ohne seine materielle Berechtigung darlegen und beweisen zu müssen, findet nur im Falle des Mißbrauchs seine Schranken. Mißbraucht der Gläubiger seine durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern erlangte formale Rechtstellung und ist dies offensichtlich oder liquide beweisbar, so steht dem Bürgen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu (vgl. BGH, NJW 1994, 380, 381; NJW – RR 1989,1324, 1325, jeweils m. w. N.). Der Einwand des Rechtsmißbrauchs ist darauf beschränkt, daß die materielle Berechtigung des Gläubigers aus der Bürgschaft nach deren Bedingungen oder wegen Nichtbestehens der Hauptschuld offensichtlich fehlt. Das trifft nur zu, wenn die mißbräuchliche Ausnutzung der formalen Rechtstellung für jedermann klar ersichtlich ist (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 – IX ZR 325/95; mitgeteilt in ZIP 48/96, A 115). Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Natur, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind nicht im Ausgangsprozeß zu entscheiden und können die Zuerkennung des Anspruchs auf vorläufige Zahlung nicht aufhalten (vgl. BGH, a.a.O.).
Schon nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte mit der Einwendung, die von ihr übernommenen Bürgschaften seien wegen Verstoßes gegen die §§ 3, 9 AGBG unwirksam, im vorliegenden Rechtstreit, bei dem es nur um die vorläufige Zahlungspflicht geht, ausgeschlossen. Zwar betreffen die zu diesem Problem ergangenen Entscheidungen weitgehend die Frage des Bestehens der Hauptschuld. Jedoch ist auch anerkannt, daß der Streit darüber, ob oder bis wann eine Bürgschaft zeitlich begrenzt ist und deshalb die materielle Bürgschaftsverpflichtung entstanden oder nicht entstanden ist, nicht in den Ausgangsprozeß gehört, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres beantworten läßt (BGH, NJW 1985, 1694 f.). Der Streit darüber, ob eine Bürgschaftsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entstanden ist, ist genauso zu behandeln wie die Frage, ob die Bürgschaft nicht mehr besteht, weil sie zeitlich begrenzt ist....