Leitsatz (amtlich)

Ein Auftraggeber verhält sich nicht pflichtwidrig, wenn er einem Bieter den Zuschlag erteilt, der ein unvollständiges Angebot abgegeben hat, der aber auch bei vollständigem Angebot den Zuschlag erhalten hätte.

 

Normenkette

VOB/A §§ 21, 25

 

Gründe

Der Klägerin steht ein Anspruch des ihr infolge Vergabeentscheidung zugunsten der Fa. O. entstandenen Schadens nicht zu. Die Beklagte hat sich nicht dadurch pflichtwidrig verhalten, daß sie das unvollständige Angebot der Fa. Otten berücksichtigt und ihr den Zuschlag erteilt hat.

Die VOB/A hat als innerdienstliche Verwaltungsvorschrift keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach außen. Mittelbar kann aber einschuldhafter Verstoß gegen die Vergabevorschriften wegen einer Verletzung schutzwürdigen Vertrauens des benachteiligten Bieters Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß begründen (BGH BauR 1992, 358). Ansprüche auf Ersatz sowohl des positiven als auch des negativen Interesses kann allerdings nur derjenige erfolgreich geltend machen, der bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschreibungsverfahrens den Zuschlag erhalten hätte (BGH BauR 1981,368; 1984, 631; zu VOL/A: BGH ZfBR 1993, 77).

Allerdings ist von einem Zuschlagserfolg der Klägerin nach vorherigem Ausschluß des Angebots der Fa. O. auszugehen.

Zwar hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtigte Klägerin (vgl.BGH BauR 1981, 368, 369; 1984, 631) zur Begründung einer ihr günstigen Zuschlagsentscheidung lediglich darauf verwiesen, daß sie das nach dem der Fa. O. niedrigste Angebot abgegeben hat. Nach den bei der Wertung der Angebote zu beachtenden Regeln kommt es indessen nicht allein entscheidend auf den niedrigsten Angebotspreis an. Vielmehr hat der öffentliche Auftraggeber nach § 25 Nr.3 Abs.3 VOB/A eine Vielzahl verschiedenster Gesichtspunkte zu berücksichtigen und schließlich eine Wertung zu treffen, bei der ihm auch noch ein angemessener Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (BGH BauR 1985, 75).

Gleichwohl reicht die Darlegung der Klägerin nach dem gegenwärtigen Aktenstand aus. Ihre Behauptung, sie hätte den Zuschlag erhalten, weil sie das niedrigste taugliche Angebot abgegeben hatte, entspricht der dem Grundsatz sparsamer Haushaltsführung logisch folgenden Tendenz, wonach regelmäßig (in fast 95 % der öffentlichen Ausschreibungen) der preisgünstigste Bieter den Zuschlag erhält (Feber, Schadensersatzansprüche bei der Auftragsvergabe nach VOB/A, S. 17; Langer ZfBR 1980, 267, 271; Daub/Piel/Soergel, VOB/A, ErlZ A 25, 147). Eine andere Kriterien als (vorrangig) entscheidungsrelevant offenbarende Vergabebegründung (§ 30 VOB/A; Ziff. 6 VHB) ist nicht vorgetragen. Unter diesen Umständen obläge es der Beklagten – unbeschadet der Beweislastfrage – wenigstens zu erklären, ob und welche anderen Entscheidungskriterien maßgeblich waren und einen Zuschlag an die Klägerin verhindert hätten.

Entscheidungserheblich kommt es danach darauf an, ob die Beklagte durch die Berücksichtigung des wegen fehlender Preisangabe zu Pos. 1.1.7 unvollständigen Gebots der Fa. O. schuldhaft gegen bindende Vergabevorschriften verstoßen und dadurch daß grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in eine Beachtung der Vergaberegelungen verletzt hat. Das ist hier nicht der Fall.

Die Beklagte hat sich nicht pflichtwidrig verhalten. Die Zulassung des Gebots der Fa. O. zum Wertungsverfahren nach § 25 Nr.2 und 3 VOB/A und die daraus resultierende Zuschlagserteilung ist mit den maßgeblichen Regelungen der VOB/A vereinbar.

Der Fall einer unvollständigen Preisangabe ist in der VOB/A nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ist aus § 6 Nr.1 und im Umkehrschluß aus § 21 Nr.1 Abs.1 b VOB/A zu folgern, daß der Bieter Preise und die geforderten Erklärungen angeben muß (Ingenstau/Korbion, VOB, 12. Aufl., A § 21 Rn. 2 f.; Heiermann/ Riedl/Rusam, VOB, 7. Aufl., A § 21 Rn. 2 u. § 25 Rn. 125). Welche Folgen ein Unterlassen der Preisangabe hat, ist jedoch unklar. Denn nach § 25 Nr.1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A sind zwar „Angebote ausgeschlossen, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 nicht entsprechen”. Da § 21 Nr.1 Abs.1 VOB/A keine eindeutigen Aussagen über die Preisangaben macht und zudem nicht als zwingende Regelung, sondern als Soll-Vorschrift formuliert ist, kann nicht ohne weiteres jedwede Art unvollständiger Preisangaben zu einem zwingenden Ausschluß des betreffenden Gebots führen.

Diese Schlußfolgerung wird grundsätzlich auch in der Kommentarliteratur gezogen. Heiermann/Reidl/Rusam (a.a.O. § 25 Rn.101, 125) schlagen vor, Angebote mit fehlenden Preisangeben als Nebenangebote zu bewerten, soweit sie im Vergleich zur Gesamtleistung unter geordnete Positionen betreffen. Ingenstau/ Korbion (a.a.O A § 25 Rn.12 – 14) vertreten die Ansicht, das durch § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A indizierte Zulassungsermessen könne erst einsetzen, „wenn das Angebot überhaupt Preisangaben enthält”. Deshalb müsse das Fehlen einzelner Preisangaben im Angebot „zwangsläufig” dessen Ausschluß zur Folge haben, es sei denn, die Auswirkungen fehlender Preisangaben sind „...

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