Leitsatz (amtlich)

Übernimmt ein Innenarchitekt, der zur Führung der Berufsbezeichnung "Architekt" nicht befugt ist, die Planung eines Wohnhauses, muss er seinem künftigen Auftraggeber grundsätzlich offenbaren, dass er nicht umfassend bauvorlageberechtigt ist. Eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung berechtigt den Auftraggeber zur Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung oder zur Kündigung aus wichtigem Grund.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 05.08.2013; Aktenzeichen 1 O 1805/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 5.8.2013 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 73.305,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht von der Beklagten Honorar nach der HOAI; die Beklagte rechnet hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen auf und verfolgt darüber hinaus weitere behauptete Gegenforderungen mit der Widerklage.

Die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge P. H., beabsichtigten, auf den benachbarten Grundstücken und ... in N Häuser errichten zu lassen.

Der Kläger ist von Beruf Dipl.-Ing. und Innenarchitekt. Die Beklagte beauftragte den Kläger am 16.5.2008, zwecks Neubaus eines Wohnhauses mit Tierarztpraxis, Garage und Geräteraum auf dem Grundstück in N ... mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 sowie mit der Erstellung eines Energiepasses und eines Entwässerungsgesuchs.

Die Beklagte und ihr Ehemann hatten den Kläger zuvor mit der Erstattung eines Gutachtens zu einem Wasserschaden am Grundstück in N.. beauftragt.

Der Kläger firmierte in diesem Zusammenhang als "Bauherren - Fachberater und Sachverständiger für Schäden an und Bewertungen von Innenräumen".

Die Tragwerksplanung wurde durch den Zeugen G.. A.., N.., erstellt. Die von ihm errechnete Statik sah u.a. eine 200 mm starke Betonplatte sowie Streifenfundamente mit Bewehrung durch Baustahlmatten und Betonstabstahl (Im Folgenden: Baustahl) vor. Unterhalb der Platte sah der Plan eine Dämmung Styrodur 3035 cs/cn mit einer Stärke von 80 mm vor. Das Haus sollte die Energiesparkriterien KfW 60 erfüllen.

Die Parteien vereinbarten u.a. in § 7 ("Vorzeitige Auflösung des Vertrages"):

Der Vertrag ist nur aus wichtigem Grund kündbar. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Hat der Architekt die Kündigung zu vertreten, so hat er nur Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen, wenn die Leistungen brauchbar sind und einen selbständigen Wert besitzen. In allen anderen Fällen steht dem Architekten trotz Kündigung das vertraglich vereinbarte Honorar zu; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt."

Der Kläger führte sowohl im Vertrag als auch in den von ihm gefertigten Bauantragsunterlagen den Titel "Architekt".

Der Zeuge P. H.. beauftragte den Kläger in gleicher Weise zwecks Errichtung eines Neubaus auf dem Grundstück in N Die wechselseitigen Ansprüche hieraus sind Gegenstand des Rechtsstreits 2 O 2408/10 LG Osnabrück = 8 U 31/12 OLG Oldenburg = VII ZR 55/13 BGH.

Das Grundstück liegt in einem nicht geplanten aber im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34 Baugesetzbuch). Dort ist sowohl die ein- als auch die zweigeschossige Bauweise zulässig.

Der Kläger reichte einen Antrag auf Genehmigung eines zweigeschossigen Hauses ein, die im August 2008 erteilt wurde.

Der Kläger vergab die Errichtung der Fundamente, der Grundplatte und des Mauerwerks an die U L. Maurermeister Baugeschäft GmbH & Co. KG (im Folgenden: Bauunternehmerin). Das Leistungsverzeichnis sah in Ziff. 4.2 die "Sohle aus Stahlbeton ... gem. Statik s. Bewehrungsplan)" vor.

Der Dachstuhl soll durch eine Firma H.. Zimmerei GmbH errichtet worden sein.

Die Bauunternehmerin errichtete die Fundamente und die Sohlplatte ohne die Bewehrung durch Baustahl. Stattdessen fügte sie der Betonmasse Fasern hinzu, wobei anfangs unstreitig war, dass es sich um Stahlfasern handelte. Der Kläger war nach eigenem Vorbringen zu diesem Zeitpunkt ortsabwesend und deckte diese Abweichung von der Statik und dem Leistungsverzeichnis nicht auf.

Die Bauunternehmerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 11.8.2008 u.a. für die Errichtung der Fundamente und der Sohlplatte netto 5.110,50 EUR = brutto 6.801,50 EUR in Rechnung. Nach Prüfung und Bestätigung der Rechnung durch den Kläger bezahlte die Beklagte ...

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