Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Versicherer nach den AUB 2008 das Recht auf Neubemessung bei der Erstfestsetzung der Invaliditätsentschädigung nicht vorbehalten, kann er später, wenn sich im Prozess des Versicherungsnehmers eine geringere Invalidität ergibt, eine Überzahlung nicht kondizieren (Anschluss an OLG Frankfurt, Urteil vom 18.09.2008, Az. 3 U 206/06 - juris Rn. 15).
Verfahrensgang
LG O. (Urteil vom 13.05.2016) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des LG O. vom 13.05.2016 dahingehend geändert, dass die Widerklage abgewiesen wird.
Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages für die Beklagte vollstreckbar, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus einer privaten Unfallversicherung Invaliditätsleistungen geltend. Die Beklagte hat widerklagend eine "überzahlte" Invaliditätsleistung zurückgefordert.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte gemäß § 1 VVG i.V.m. Ziff. 1.1, 2.1 der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen 2008 (AUB 2008) und Ziff. 1.1, 3.3 Abschnitt B der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung 2008 der Beklagten (im Folgenden: BUB 2008) aufgrund eines Unfall des in den Versicherungsschutz einbezogenen Ehemanns der Klägerin K. am 27.05.2013 (Umknicken mit dem Sprunggelenk des rechten Fußes) zur Zahlung einer Invaliditätsleistung verpflichtet ist. Streit besteht zwischen den Parteien über das Ausmaß der Leistung, d.h. über die Bemessung des Invaliditätsgrades.
Die Beklagte hat ein fachchirurgisches Gutachten des Arztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Visceralchirurgie, Dr. S., Medizinisches Gutachtenbüro O. vom 31.12.2014 (Anlage K 11, Anlagenband) eingeholt. Der Gutachter Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund des Unfalls bei Norbert K. die Funktionsbeeinträchtigung mit 5/20 Fußwert rechts zu bemessen sei. Es sei eine messbare Bewegungseinschränkung am rechten oberen Sprunggelenk und eine nachweisbare verbleibende Außenknöchelband-Instabilität des rechten oberen Sprunggelenks im lateralen Bandapparat nach unvollständiger Heilung des knöchernen Abrisses der Sehne an der Wadenbeinspitze als Dauerschaden gegeben.
Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.01.2015 (Anlage K 12, Anlagenband) eine Invaliditätsleistung von 6.862,50 EUR (Fußwert nach Gliedertaxe von 45 % × Versicherungssumme von 61.0000,- EUR × Fußwert/Funktionsbeeinträchtigung von 5/20) berechnet und an die Klägerin gezahlt. Eine Neubemessung hat die Beklagte sich hierbei nicht vorbehalten.
Mit ihrer Klage vom 24.08.2015 hat die Klägerin sich gegen diese Erstfeststellung gewandt und die Zahlung einer Invaliditätsleistung von 34.312,50 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 1.474,89 EUR begehrt.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass unfallbedingt eine knöchel-narbig-synoviale Impingement Konstellation, eine eingetretene beginnende Arthrose, vorliege. Sie hat gemeint, dass ein Fußwert rechts von 15/20 anzusetzen sei. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, dass auch eine Beeinträchtigung des Beines über der Mitte des Oberschenkels gegeben sei, so dass von einem Beinwert von 15/20 auszugehen sei.
Das LG hat ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. C., Facharzt für Orthopädie, vom 20.01.2016 (Bl. 51 d.A.) eingeholt. Nach eigener Untersuchung des Geschädigten Norbert K. am 19.01.2016 ist der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. C. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks eingeschränkt sei und eine Bandinstabilität im oberen Sprunggelenk rechts nach vollständiger Konsolidierung der Außenknöchelbandfraktur rechts mit medialer und lateralen Narbenbildung nicht feststellbar sei (S. 10 SV-GA, Bl. 60 d.A.), eine Versteifung des oberen oder unteren Sprunggelenks liege nicht vor (S. 15 SV-GA, Bl. 65 d.A.), eine signifikante Muskelminderung oder weitere Funktionsminderung am rechten Bein sei nicht feststellbar (S. 14 SV-GA, Bl. 64 d.A.). Danach bemisst er die Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks mit einem Fußwert von 3/20.
Bei der mündlichen Erläuterung und Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens hat der Sachverständige Dr. C. erklärt, dass die Röntgenbilder eine typische Arthrose zeigten, die aber nicht als Unfallfolge einzuordnen sei; die neue CT gemäß Bericht vom 15.04.2016 zeige keine Arthrose; eine vorhanden gewesene Arthrose hätte zudem allenfalls einen Aufschlag auf den festgestellten Fußwert von 1/20 gerechtfertigt (Bl. 129 und Bl. 130 d.A.).
Das LG hat mit am 13.05.2016 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und auf die Widerklage unter Abweisung im Übrigen die Klägerin zur...