Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens für von Dritten im Gleisbereich abgelegte Hindernisse.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 24.07.2006; Aktenzeichen 5 O 3878/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.7.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Oldenburg aufgehoben und die Klage - entsprechend der von der Klägerin geltend gemachten Haftungsquote von 2/3 - dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Zur Höhe wird das Verfahren aufgehoben und die Sache an das LG, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen einer Kollision eines von ihr gemieteten Triebfahrzeugs mit einer im Gleisbereich befindlichen Gleisschraubmaschine. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Zwar könne die Beklagte als für den Bau und die Unterhaltung, für die Betriebsleit- und Sicherungssysteme und die Sicherheit der Strecke verantwortliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen auch von dem Eisenbahnverkehrsunternehmen grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 HPflG in Anspruch genommen werden. Eine Haftung sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 HPflG ausgeschlossen, weil es sich bei dem Unfall um höhere Gewalt gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung und der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt zum einen eine fehlerhafte Beweiswürdigung und wendet sich zum anderen gegen die Bewertung des Unfalls als höhere Gewalt.
Die Klägerin beantragt,
1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 175.295,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 12.1.2006 zu zahlen;
2. hilfsweise die Sache an das LG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG zu. Dass das Haftpflichtgesetz auch im Verhältnis zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen Anwendung findet, entspricht mittlerweile gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, NZV 2004, 245).
Entgegen der Auffassung des LG ist die Haftung hier nicht wegen höherer Gewalt nach § 1 II HPflG ausgeschlossen. Höhere Gewalt in diesem Sinne ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte herbeigeführtes Ereignis, das unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist (vgl. BGH, NZW 2004, 245, 248; Filthaut, HPflG, 6. Aufl., § 1 Rz. 158 m.w.N.).
Nach den vom LG getroffenen und vom Senat zugrunde zu legenden Feststellungen ist der Schaden dadurch verursacht worden, dass eine neben den Gleisen gelagerte Gleisschraubmaschine (sog. Robel) von unbekannten Dritten in der Zeit zwischen 21:44 Uhr und 22:15 Uhr auf die Schienen gelegt worden war. Die Gleisschraubmaschine hatte ein Gewicht von 40 kg. Sie war nach dem Ende der Gleisbauarbeiten neben der Gleisanlage auf einem etwas erhöht liegenden Damm gelagert worden, um dort am nächsten Tag die unterbrochenen Arbeiten fortsetzen zu können. Besondere Sicherungs- oder Überwachungsmaßnahmen sind nicht getroffen worden. Entgegen der Auffassung des LG kann hier allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass das Gelände "im Prinzip" nicht zugänglich war. Denn der Weg endete (nur) 200 m vor der Unfallstelle. Ein Wohngebiet von R. lag nur 100 m entfernt. Es war zwar durch einen bewachsenen Wall getrennt. Dieser war aber offensichtlich nicht unüberwindbar. Dass die Geräte dort befindlich sind, ist u.a. auch aus den vorbeifahrenden Zügen zu erkennen. Größere Geräte waren auch von der Bundesstraße aus sichtbar, weil der Lagerungsort auf dem Gleis erhöht war.
Gegen die getroffenen Feststellungen wendet sich die Klägerin ohne Erfolg.
Die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Es ist insb. nicht rechtsfehlerhaft, dass sich das LG bei seinem Feststellungen nicht an der Formulierung im Beweisbeschluss orientiert hat. Es ist von § 286 Abs. 1 ZPO gedeckt, dass das Gericht ggf. über die Beweisfrage hinausgehende Feststellungen trifft. Letztlich wird aus den Berufungsangriffen auch nicht deutlich, in welchem Punkt die getroffenen Feststellungen...