Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerer Landfriedensbruch: Erfüllung des Regelbeispiels bei Beisichführen eines Metallstuhls als Wurfgeschoss
Leitsatz (amtlich)
Die Aufnahme eines vor Ort vorgefundenen metallenen Cafestuhls zum Zwecke der Verwendung als Wurfgeschoss erfüllt die Voraussetzungen des Regelbeispiels des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs gem. § 125a Abs.1 Nr.2 StGB - Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs -, ohne dass es einer darüberhinausgehenden Verletzungsabsicht bedürfte.
Normenkette
StGB §§ 125, 125a S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 08.06.2020; Aktenzeichen 7 Ns 33/20) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 8. Juni 2020 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Osnabrück hatte den Angeklagten am 8. Januar 2020 wegen Landfriedensbruchs unter Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls (§ 125a Satz 1 StGB) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft - letztere auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt - hat das Landgericht Osnabrück - 7. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 8. Juni 2020 als unbegründet verworfen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Er erstrebt mit der Sachrüge die Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Insbesondere wendet er sich gegen die Einordnung der Tat als besonders schwerer Fall gemäß § 125a StGB.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es im Zusammenhang mit einem Fußballländerspiel zwischen der niederländischen und der deutschen Nationalmannschaft am TT.MM 2018 in der Innenstadt von Amsterdam vor dem Café "(...)", Straße1, zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe Deutscher und einer Gruppe Niederländern, die aus Anlass des Fußballspiels nach Amsterdam gereist waren, wobei diese aufeinander einschlugen und eintraten und sich mit Stühlen aus dem Außenbereich des Cafés bewarfen. Der Angeklagte, der zunächst an einer Grachtenfahrt teilgenommen hatte, entschloss sich, an dieser Auseinandersetzung teilzunehmen. In der Folge wirkte er in der aus mindestens 25 Personen bestehenden deutschen Gruppe mit, indem er sich gewalttätig gerierte und in der Folgezeit insgesamt drei Caféstühle aus Metall mit Lehnen in Richtung der niederländischen Gruppe warf. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, einen Niederländer zu treffen und zu verletzen. Ob durch den ersten geworfenen Stuhl jemand getroffen wurde, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Der zweite Stuhl ging bereits vor Erreichen der Niederländer zu Boden. Beim dritten Wurf war ein Niederländer gezwungen, eine Ausweichbewegung zu machen, um nicht von dem Stuhl getroffen zu werden.
2.
Die maßgeblich auf die von dem Geschehen gefertigten Videoaufnahmen gestützte Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf. Die getroffenen Feststellungen tragen auch die Verurteilung wegen Landfriedensbruchs (§ 125 StGB). Da die Tat auch nach niederländischem Recht strafbar wäre (Art. 141 des niederländischen Strafgesetzbuches) und der Angeklagte deutscher Staatsangehöriger ist, unterliegt die Tat gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB der deutschen Strafgewalt.
3.
Auch die Strafzumessung hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
a.
Das Landgericht hat die Tat als unbenannten besonders schweren Fall im Sinne des § 125a Satz 1 StGB eingestuft. Zwar liege keines der Regelbeispiele vor. Indem aber der Angeklagte dreifach Gegenstände auf Personen geworfen habe, wobei es Zufall sei, dass keine erheblichen Verletzungen entstanden seien, sei die Tat den Regelbeispielen vergleichbar. Wenngleich die Gefahr schwerer Gesundheitsschädigungen nicht bestanden habe, gehe das Verhalten deutlich über den bereits ohne die Stuhlwürfe erfüllten Grundtatbestand des § 125 StGB hinaus.
b.
Diese Erwägungen sind - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 14. September 2020 zu Recht hinweist - nicht unbedenklich.
Die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles erfordert, dass die Tat im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut mit den benannten Regelbeispielen vergleichbar ist. Indem das Landgericht zwar auf eine mögliche erhebliche Verletzung abstellt, indessen ausdrücklich das Fehlen der Voraussetzungen des § 125a Satz 2 Nr. 3 StGB feststellt, liegt insoweit eine Vergleichbarkeit gerade nicht vor. Das wiederholte Werfen allein vermag die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles ebenfalls nicht zu begründen.
c.
Indessen beruht die Strafzumessung nicht auf diesem Rechtsfehler.
Denn entgegen der Auffassung der Strafkammer ist durch das Werfen mit einem Metallstuhl das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllt. Anders als bis zur Änderung dieser Vorschrift durch das 44. Strafrechtsänderungsgesetz (m.W.v. 05.11.2011) erfordert dieses Regelbeispiel nicht mehr das Beisichführen einer and...