Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, unter welchen Umständen die Zahlung rückzahlbarer Vorschüsse vom Unternehmer an einen Handelsvertreter zu einer unzulässigen Kündigungserschwernis für den Handelsvertreter führt (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Februar 2010 - 1 U 113/09, VersR 2011, 526).
b) Wird ein Versicherungsvertreter unter Verstoß gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot für ein Konkurrenzunternehmen tätig, so kann der Unternehmer Auskunft über die vom Versicherungsvertreter unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vermittelten Geschäfte verlangen; der Auskunftsanspruch erstreckt sich aber nicht auf die Angabe von Namen und Anschriften der Kunden.
Normenkette
HGB §§ 89, 89a; BGB § 134; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 07.10.2011) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 7. Oktober 2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das genannte Urteil unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das am 29. August 2007 begründete Handelsvertreterverhältnis der Parteien in der Fassung des Handelsvertretervertrages vom 10./18. August 2008, ergänzt durch die Zusatzvereinbarung vom 30. April 2009, bis zum 31. Dezember 2012 fest abgeschlossen und durch die Kündigung des Beklagten vom 29. April 2010 nicht beendet worden ist.
2. Dem Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bis zur Beendigung dieses Handelsvertreterverhältnisses im Verhältnis zur Klägerin einer konkurrierenden Tätigkeit nachzugehen, insbesondere für zu im Wettbewerb zur Klägerin stehende Unternehmen tätig zu werden oder sie sonst in irgendeiner Weise, wie durch die Vermittlung von Versicherungen oder Kapitalanlagen, zu unterstützen.
3. Dem Beklagten wird angedroht, dass er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag der Klägerin zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt wird. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in der ersten Stufe Auskunft über die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 2. September 2011 von Außendienstmitarbeitern, die durch den Beklagten als Vertriebsleiter der C...V... geworben wurden und die ihm in dieser Eigenschaft zugeordnet sind, für die C... V... und/oder deren Partnerunternehmen vermittelten Versicherungsverträge aus den Sparten Sach-/Haftpflicht, Kraftfahrt, Rechtsschutz, Unfall, Leben, Kranken und Bausparen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Sparte, des Tarifs, des Datums der Antragstellung und Vertragsschlusses, des Netto- und des Bruttobeitrages, der Zahlungsweise sowie der Bewertungssumme. Der weitergehende Auskunftsantrag wird abgewiesen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zur Zahlung von Zinsen auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote verpflichtet ist.
Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 20 % und der Beklagte 80 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit die Klägerin wegen der Hauptsache vollstreckt, darf der Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Soweit es um die Vollstreckung wegen der Kosten geht, darf der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat über den Auskunftsanspruch entschieden hat.
Gründe
A. Die Klägerin befasst sich mit der Vermittlung von Finanzprodukten (Versicherungen, Bausparverträge, Kapitalanlagen, usw.). Sie schloss mit dem Beklagten im Jahr 2007 einen Handelsvertretervertrag. Im April 2009 trafen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, nach der das Vertragsverhältnis frühestens am 31. Dezember 2012 gekündigt werden kann; das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund sollte davon unberührt bleiben. Mit Schreiben vom 29. April 2010 kündigte der Beklagte den Vertrag zum 31. Juli 2010. Seit dem 1. September 2010 ist er als Vertriebsleiter für die C... V..... tätig. Die Klägerin bege...