Leitsatz (amtlich)

Bei Klage auf Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung ist nicht zu prüfen, ob die steuerrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist allein von den Finanzbehörden zu entscheiden.

Der auf der Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme beruhende Anspruch auf Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung entfällt nur, wenn offensichtlich keine wirtschaftlichen Vorteile erreicht werden können (Schikaneverbot).

 

Verfahrensgang

AG Lingen (Aktenzeichen 20 F 6/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.11.2004; Aktenzeichen XII ZR 128/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.11.2001 verkündete Urteil des AG – FamG – Lingen geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, für das Jahr 1999 der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die Beklagte bezog im Dezember 1998 eine eigene Wohnung.

Der Kläger begehrt für das Jahr 1999 die Zustimmung der Beklagten zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung. Durch Erklärung zu Protokoll hat er sich bereit erklärt, die Beklagte von etwaigen ihr durch die gemeinsame steuerliche Veranlagung entstehenden Nachteilen freizustellen.

Der Kläger hat vorgetragen: Die Beklagte habe Anfang 1999 noch wiederholt in der Ehewohnung übernachtet, wie er auch selbst in ihrer neuen Wohnung übernachtet habe. Es habe damals intensive, auf eine Fortsetzung der Ehe zielende Gespräche gegeben. Zudem hätten wirtschaftliche Gemeinsamkeiten bestanden, u.a. hätte die Beklagte noch bis März 1999 Kontovollmacht über sein Konto gehabt und dort Abhebungen getätigt. Damit seien die Voraussetzungen für eine gemeinsame Veranlagung gegeben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgebracht, dass es nach ihrem Auszug aus der Ehewohnung keinerlei Gemeinsamkeiten mehr gegeben habe.

Die von ihr über das Guthaben auf dem Konto des Klägers getroffenen Verfügungen hätten ausschließlich ihr zustehende Gelder betroffen.

Durch das am 28.11.2001 verkündete Urteil hat das AG – FamG – Lingen die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Es führt aus, es habe sich nicht sicher feststellen lassen, dass die Parteien im Jahr 1999 noch nicht dauerhaft getrennt gelebt hatten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet er sich gegen die Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung und führt zu den wirtschaftlichen Verhältnissen weiter aus.

Der Kläger beantragt, das Urteil des AG – FamG – Lingen vom 28.11.2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für das Kalenderjahr 1999 zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, zu der Zustimmungserklärung aufgrund fehlenden steuerrechtlicher Voraussetzungen nicht verpflichtet zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Die Akte 20 F 13/99 AG Lingen ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Die Zuständigkeit des FamG ist nicht mehr zu prüfen, nachdem sich die Parteien erstinstanzlich rügelos auf die Verhandlung eingelassen haben (§ 529 Abs. 3 ZPO).

Die Klage ist begründet. Die Verpflichtung der Beklagten, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen, ergibt sich aus 1353 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gemeinsamen Verantwortung umfasst das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Dazu gehört es auch, finanzielle Lasten für den anderen Ehegatten möglichst gering zu halten und an einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung mitzuwirken (st. Rspr.: BGH NJW 1977, 378; OLG Hamm v. 19.6.1997 – 33 W 24/97, FamRZ 1998, 241; Palandt/Brudermüller § 1353 BGB Rz. 12; Arens, FamRZ 1999, 1559).

Entgegen der Auffassung der Beklagten (so allerdings auch OLG Hamm v. 11.5.1993 – 29 M 162/91, FamRZ 1994, 893) kommt es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht darauf an, ob die steuerrechtlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Veranlagung tatsächlich vorlagen oder nicht. Hierbei handelt es sich um eine Frage, die im Zivilprozess nicht zu entscheiden ist. Ob die von dem Kläger angeführten Tatsachen nach den steuerrechtlichen Maßstäben genügen, um noch für das Jahr 1999 eine gemeinsame Veranlagung zu erreichen, ist durch das zuständige Finanzamt und im Streitfall ggf. durch die Finanzgerichte zu beurteilen. Eine Entscheidung der Zivilgerichte hat hier keine Bindungswirkung. ...

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