Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Anpassung eines Abfindungsvergleichs.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 09.02.2006; Aktenzeichen 5 O 2020/05) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.2.2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten ergänzende Zahlung aus einem Abfindungsvergleich, den die Parteien am 2.3.1982 geschlossen haben.
Die Klägerin wurde am 2.4.1979 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie erblindete auf beiden Augen. Für den Unfall war ein Versicherungsnehmer der Beklagten zu 100 % verantwortlich.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt 27 Jahre alt war, insgesamt 500.000 DM, davon 333.802, 80 DM aufgrund der o.g. Abfindungsvereinbarung. Die Klägerin erklärte sich im Gegenzug für "in allen Teilen befriedigt und abgefunden" und verzichtete auf jede weitere Forderung.
Seit dem Unfall erhielt die Klägerin Landesblindengeld nach den Bestimmungen des niedersächsischen Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde.
Dass Zivilblinde in Niedersachsen Landesblindengeld erhalten und die Klägerin die Voraussetzungen für dessen Bezug erfüllte, war den Parteien bei Abschluss des Abfindungsvergleichs bekannt. So nahm die Beklagte gem. Schreiben vom 9.3.1980 die Haushaltshilfekosten aus dem Abfindungsvergleich heraus, da diese mit dem Blindengeld "kongruent" seien. In einem Vermerk der Beklagten vom 4.3.1982 heißt es hierzu, das Blindengeld solle auf "vermehrte Bedürfnisse in Zukunft" verrechnet werden.
Das Landesblindengeld wurde der Klägerin in allen Folgejahren seit 1982 in unterschiedlicher Höhe gezahlt. Zuletzt wurde der Höchstbetrag für volljährig Blinde in 2004 von 507 EUR auf 409 EUR/Monat reduziert.
Seit 2005 wird das Landesblindengeld aufgrund einer fiskalisch begründeten Entscheidung des Landesgesetzgebers überhaupt nicht mehr gezahlt.
Die Klägerin hat in der 1. Instanz die Auffassung vertreten, dass der Vergleich vom 2.3.1982 infolge Kürzung bzw. Wegfalls des Landesblindengeldes angepasst werden müsse. Sie verlangt auf der Basis der jährlichen Höhe des seitherigen Landesblindengeldes (6.097 EUR) bei einem Kapitalisierungsfaktor von 20,801 insgesamt 126.615,69 EUR. Hinzu komme zu ihren Gunsten eine Differenz infolge Kürzung des Blindengeldes für 2004 zur Gesamthöhe von 1.176 EUR.
Die Beklagte hat geltend gemacht, die Abfindungsvereinbarung sei abschließend. Die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Einen Anspruch auf Kapitalisierung habe die Klägerin ohnehin nicht.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zwar sei die Zahlung des Landesblindengeldes bei den Vergleichsverhandlungen der Parteien ein Rechenfaktor gewesen. Um eine Geschäftsgrundlage im Rechtssinne habe es sich dabei aber nicht gehandelt. Dagegen spreche der Wortlaut der Vereinbarung.
Fehleinschätzungen der zukünftigen Entwicklung gehörten zu den üblichen Risiken bei Abfindungen. Auch eine Äquivalenzstörung liege nicht vor, das Festhalten am Vergleich sei der Klägerin schon wegen des langen Bezugs des Landesblindengeldes zumutbar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie bekräftigt ihren erstinstanzlichen Vortrag und hebt hervor, der Wegfall des Landesblindengeldes sei unvorhersehbar gewesen. Dieser Fall sei bei Abschluss des Vergleichs nicht bedacht worden. Durch die jetzt gerissene Versorgungslücke werde die Opfergrenze überschritten.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 9.2.2006 verkündeten Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 127.791, 69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 9.8.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Zahlung des Landesblindengeldes sei nicht zur Geschäftsgrundlage des Abfindungsvergleichs geworden.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2006 haben die Medien berichtet, dass die Landesregierung in Niedersachsen beabsichtige, das Landesblindengeld auf einem niedrigeren Niveau wieder einzuführen. Eine dahingehende Einigung sei mit dem Landesblindenverband erzielt worden
II. Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Die Klägerin ist nicht berechtigt, eine Anpassung des am 2.3.1982 geschlossenen Abfindungsvergleichs nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (kodifiziert durch Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 313 BGB) zu verlangen.
In einem Abfindungsvergleich trifft der Geschädigte mit dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer eine Vereinbarung über seine Ersatzansprüche.
In dieser erklärt si...