Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze (hier: Erlass eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO) auf anhängige Rechtsstreitigkeiten.

2. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel mit einer Obergrenze von 10 % in einem Bauvertrag mit einer Abrechnungssumme von ca. 30 Mio. DM ist unwirksam; Vertrauensschutz besteht nicht.

3. Zu den Voraussetzungen des Aushandelns einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenklausel.

 

Verfahrensgang

LG Aurich (Urteil vom 11.04.2001; Aktenzeichen 2 O 1292/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.4.2001 verkündete Vorbehaltsurteil der 2. Zivilkammer des LG Aurich wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Hauptsachetenor wie folgt berichtigt wird:

Die Beklagte wird unter Vorbehalt der Entscheidung über die von ihr erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen Schlechterfüllung des Bauvertrages vom 13.8.1996 i.H.v. 1.978.627,92 Euro verurteilt, an die Klägerin 1.726.031,91 Euro nebst 6,25 % Zinsen auf 863.015,96 Euro seit dem 13.11.1997, auf 230.081,35 Euro seit dem 20.11.1997, auf 268.428,24 Euro seit dem 15.12.1997 und auf 364.506,37 Euro seit dem 8.1.1998 zu zahlen.

Wegen des weiter gehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000 Euro.

 

Tatbestand

Die Klägerin, Insolvenzverwalterin über das Vermögen der I. (im nachfolgenden: Schuldnerin), verlangt aus abgetretenem Recht der B. von der Beklagten die Rückzahlung einer - nach Ansicht der Klägerin - zu Unrecht in Anspruch genommenen Vertragserfüllungsbürgschaft.

Mit Bauvertrag vom 13.8.1996 vereinbarte die Schuldnerin entweder mit der Beklagten oder mit der inzwischen mit der Beklagten verschmolzenen E. die Errichtung des Einkaufszentrums D. in G. Das Verhandlungsprotokoll (Nachunternehmer-Werkvertrag) nennt als weitere Vertragsgrundlage die Allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen (AAV) der Beklagten; einbezogen ist weiterhin die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teile B und C. Ziff. 10 des Verhandlungsprotokolls enthält folgende Regelungen zur Vertragsstrafe:

"Die Vertragsstrafe je Arbeitstag beträgt bei Überschreitung des/der

10.1 Zwischentermins (e) 37.500 DM netto/Arbeitstag bis maximal 5 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme.

10.2 Endtermin (e) 37.500 DM netto/Arbeitstag bis maximal 5 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme.

10.3 Die gesamte Vertragsstrafenregelung wurde eingehend besprochen. Sie wird (...) übernommen (...) wie vorstehend geändert.

10.4 Die Vertragsstrafenregelung in Punkt 8.3 AAV 03/96 oder die vorstehend geänderte Vertragsstrafenregelung gem. Ziff. 10.3 wird der Höhe nach begrenzt auf 10 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme."

Die Höhe der Vertragsstrafe pro Arbeitstag und die Obergrenzen von jeweils 5 % in Ziff. 10.1 und 10.2 sind unter Abänderung des vorgedruckten Textes handschriftlich eingetragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

Die Allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten unter Ziff. 8.3 folgende Regelung:

"Gerät der AN während der Ausführung mit seinen Leistungen in Verzug, so dass die festgelegten Fristen (Zwischen- und/oder Endtermine) nicht eingehalten oder die termingerechten Leistungen anderer Auftragnehmer verzögert werden, ist der AG berechtigt, jeden Tag der Terminsüberschreitung mit einer Vertragsstrafe zu belegen.

...

Die Vertragsstrafe beträgt 0,3 % der Bruttoabrechnungssumme pro Arbeitstag, höchstens jedoch 10 % der Brutto-Auftragssumme, also Werklohn zzgl. Mehrwertsteuer von zur Zeit 15 %.

Andere Sätze können in dem Verhandlungsprotokoll eingesetzt werden."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen Bezug genommen.

Die vertraglich vereinbarten Zwischentermine enthält Ziff. 7.4 des Verhandlungsprotokolls; gem. Ziff. 7.6 des Verhandlungsprotokolls hat die Fertigstellung der kompletten Vertragsleistung bis zum 31.10.1997 zu erfolgen.

Die Beklagte versprach und bezahlte eine Vorauszahlung auf die Leistungen der Klägerin von anfangs ca. 29 Mio. DM, später brutto 32.723.250 DM. Die Vorauszahlung besicherte die Schuldnerin ggü. der Beklagten durch eine Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern i.H.v. 34.500.000 DM, gestellt von der B. Weiter stellte die Schuldnerin der Beklagten eine Vertragserfüllungsbürgschaft der B. i.H.v. 3.375.825 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bürgschaftsurkunde vom 1.10.1996 Bezug genommen.

Im September/Oktober 1996 verhandelten die Schuldnerin und die I., eine Niederlassung der Beklagten, über die Ausführung der das Bauvorhaben betreffenden Ortbetonarbeit...

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