Leitsatz (amtlich)
1. Erfüllt das Konkurrenzprodukt zulässig gestellte zwingende Mindestanforderungen nicht und könnte auf ein entsprechendes Angebot der Zuschlag deshalb nicht erteilt werden, bleibt der Nachprüfungsantrag gegen eine Direktvergabe jedenfalls dann ohne Erfolg, wenn das beschaffte Produkt diese Anforderungen erfüllt.
2. Zu Reichweite und Grenzen des Leistungsbestimmungsrechts in diesen Fällen.
3. Danach war nicht zu entscheiden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Notvergabe gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vorgelegen haben, ob die konkrete Vergabe den Anforderungen an einen "Wettbewerb light" genügte und ob ein eventueller Verstoß hiergegen die Unwirksamkeitsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nach sich zöge (dazu Senat, Beschluss vom 09.12.2020 - 17 Verg 4/20).
Normenkette
GWB § 135 Abs. 1 Nr. 2; VgV § 14 Abs. 4 Nr. 3
Verfahrensgang
VK Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 04.05.2021; Aktenzeichen 3 VK 1/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 04.05.2021 - Az.: 3 VK 1/21 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen. Die Zuziehung anwaltlichen Beistandes durch den Antragsgegner war auch im Beschwerderechtszug notwendig.
3. Der Gegenstandswert für den Beschwerderechtszug wird auf bis zu ... EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die mit Vertrag vom 08.03.2021 erfolgte Beschaffung der so genannten Luca-App durch den Antragsgegner - das Land Mecklenburg-Vorpommern - bei der in ... ansässigen Beigeladenen im Wege der Direktvergabe. Der Antragsgegner hatte die Sache weder ausgeschrieben noch anderweitige Angebote eingeholt. Die in ... ansässige Antragstellerin, die mit unbeantwortet gebliebener E-Mail vom 05.03.2021 eigeninitiativ eine Interessenbekundung für die Stellung einer Kontaktnachverfolgungs-App u.a. an das antragsgegnerische Land gerichtet hatte, hat sich hiergegen mit Nachprüfungsantrag vom 10.03.2021 gewendet, den die Vergabekammer mit Beschluss vom 04.05.2021 - Az.: 3 VK 1/21 - zurückgewiesen hat. Die Vergabekammer hat den Antrag für zulässig, aber unbegründet gehalten und hierbei - u.a. - darauf abgestellt, dass nur das Produkt der Beigeladenen über eine Schnittstelle zu dem von den Gesundheitsämtern genutzten Programm SORMAS - Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System - verfüge. Bei dieser Sachlage habe die Beigeladene unmittelbar beauftragt werden dürfen, zumal die Sache gesteigert eilbedürftig gewesen sei. Für die näheren Einzelheiten des im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer von den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Vorgebrachten sowie den Inhalt der dort gestellten Anträge wird auf den vorbezeichneten Beschluss, hier vorgelegt durch die Antragstellerin als Anlage Bf1 (Blatt 56 ff. d.A.), Bezug genommen. Gegen den ihr ausweislich der beigezogenen Akten der Vergabekammer am 05.05.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit hier als Vorabfax am 19.05.2021 eingegangenem Schriftsatz vom 18.05.2021 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Anträge aus dem Verfahren vor der Vergabekammer unverändert weiterverfolgt.
In Anknüpfung an die Begründung des Nachprüfungsantrags macht die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend, dass die Beauftragung der Beigeladenen unwirksam sei. Einerseits habe der Antragsgegner die Antragstellerin diskriminiert. Andererseits hätten die Voraussetzungen einer so genannten Notvergabe nicht vorgelegen. Es lasse sich auch nicht sicher ausschließen, dass das Produkt der Antragstellerin im Ergebnis einer sachgerechten Marktrecherche und vergaberechtskonformen Festlegung der Anforderungen zuschlagsfähig wäre. Weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen sei von einem Ausschluss bzw. einer Ausschließbarkeit des antragstellerischen Produkts auszugehen. Letztlich weise das Produkt der Antragstellerin sogar einen Mehrwert gegenüber demjenigen der Beigeladenen auf.
Entgegen der Einschätzung der Vergabekammer liege in dem Umstand, dass das Produkt der Beigeladenen über einen Zugang zur Fachanwendung SORMAS verfüge, sehr wohl ein Hinweis auf ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen. Ein Bedarf für die Beschaffung einer Kontaktnachverfolgungs-App mit einer Schnittstelle zu SORMAS sei erst durch den gemeinsamen Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder vom 05.03.2021 entstanden. Dass die App der Beigeladenen schon vorab - offenbar bereits Ende Februar 2021 - mit einer solchen Schnittstelle ausgestattet gewesen sei, lasse sich nur auf Insiderwissen der Beigeladenen zurückführen, das ohne kollusives Zusammenwirken mit den Beschaffungsstellen der Länder nicht zu erklären sei. Andere Wirtschaftsteilnehmer seien also gezielt diskriminiert worden. In einem von der - hiesigen wie dortigen - Antrags...