Leitsatz (amtlich)

1. Etwaige rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen im Urteilsstaat sind durch den Vollstreckungsstaat bei der nach § 54 Abs. 1 IRG zu treffenden Umwandlungsentscheidung nicht zu kompensieren.

2. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB findet im Verfahren nach § 54 IRG keine Anwendung.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Entscheidung vom 03.03.2010; Aktenzeichen 6 StVK 385/09)

 

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 77 Abs. 1 IRG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Senat hat mit Beschluss vom 08.06.2010 die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der I. Großen Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Neubrandenburg vom 03.03.2010 - 6 StVK 385/09 -, mit dem die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Bezirksgerichts Slupsk/Republik Polen vom 12.10.2004 - II K 88/03 - i.V.m. dem Urteil des Berufungsgerichts Gdansk/Republik Polen vom 31.01.2005 - II AKa 460/04 - für zulässig erklärt und die zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe auf vier Jahre und sechs Monate abzüglich der erlittenen Untersuchungshaft festgesetzt wurde, als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 03.07.2010. Er rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 77 Abs. 1 IRG, § 33a StPO) und beantragt, sowohl die Umwandlungsentscheidung des Landgerichts wie auch den angefochtenen Senatsbeschluss aufzuheben und die Vollstreckung aus den polnischen Urteilen für unzulässig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Jahre der Strafe als vollstreckt gelten und ebenfalls hilfsweise festzustellen, dass die in Polen erlittene Untersuchungshaft im Maßstab 1 : 2 auf die zu vollstreckende Strafe anzurechnen ist.

II. Der Rechtsbehelf hat - auch bei einer Auslegung als Gegenvorstellung - keinen Erfolg.

1. Die Gehörsrüge ist unbegründet.

Der Senat hat seiner Entscheidung keine Tatsachen oder Beweismittel zum Nachteil des Beschwerdeführers zugrunde gelegt, zu denen dieser nicht zuvor gehört worden wäre. Das gilt insbesondere für die Behauptung des Verurteilten, in dem in Polen gegen ihn geführten Ermittlungs- und Strafverfahren, aus dem die nunmehr zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe resultiert, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör in einer Art. 6 Abs. 1 MRK tangierenden Weise verletzt worden, was sich im deutschen Umwandlungsverfahren, wo dieser Umstand keine Berücksichtigung gefunden hat, fortgesetzt habe.

a) Der Senat hat das entsprechende Vorbringen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren zur Kenntnis genommen und in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich berücksichtigt (vgl. dort unter II.3 c). Er hat es jedoch aus den dort dargelegten Erwägungen für das Umwandlungsverfahren als nicht durchgreifend erachtet. Darin liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Erneut gilt, dass der Beschwerdeführer mit seinen diesbezüglichen Ausführungen durchaus gehört, aber eben nicht erhört worden ist.

b) Die Frage, ob in dem polnischen Verfahren eine Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör stattgefunden hat, war im hiesigen Beschwerdeverfahren lediglich im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels zu prüfen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 IRG), andernfalls die Übernahme der Strafvollstreckung abzulehnen gewesen wäre. Der Senat hat dies erwogen und verneint. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, würde dies nur bedeuten, dass der Senat fehlerhaft entschieden hätte, nicht jedoch würde es sich dabei um eine neuerliche oder fortgesetzte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör handeln.

2. Der Antrag kann auch bei einer Auslegung als Gegenvorstellung keinen Erfolg haben.

Auch wenn man unterstellt, der Senat habe falsch entschieden, wäre er zu einer Abänderung der getroffenen und mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht weiter anfechtbaren Beschwerdeentscheidung nicht befugt. Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn ihm ein schwerwiegender Verfahrensfehler unterlaufen wäre (OLG Stuttgart Justiz 96, 147) oder wenn der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung zu seinem Nachteil behauptet und durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Einlegung der Verfassungsbeschwerde ersparen würde (BVerfGE 63, 77 = NJW 83, 1900; OLG Düsseldorf MDR 80, 335; 82, 518; OLG Karlsruhe Justiz 02, 24). Dafür ist nichts ersichtlich.

3. Die vorstehend unter Ziffer 2 genannten Gründe stünden auch den beantragten - nachträglichen - Feststellungen entgegen, wegen einer - angeblich - rechtstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gelte ein Teil der verhängten Strafe als verbüßt und die in Polen vollstreckte Untersuchungshaft sei auf die noch zu verbüßende Strafe im Verhältnis 1 : 2 anzurechnen. Abgesehen davon hätten beide Anträge auch in der Sache keinen Erfolg.

a) Selbst unterstellt, in dem in Polen gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungs- und Strafverfahren wäre es zu Verfahrensverzögerungen von solchem Ausmaß gek...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge