Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Prozesskostenhilfe für Berufungsbeklagten
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1, § 119 Abs. 1, § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 02.04.2004; Aktenzeichen 10 O 371/02) |
Tenor
Dem Beklagten, Widerkläger und Berufungsbeklagten wird für den Berufungsrechtszug, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin A.K. bewilligt.
Gründe
I. Mit Urteil vom 2.4.2004 hat da LG Rostock, Az.: 10 O 371/02, die seitens der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung aus einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag abgewiesen. Zugleich hat das LG auf die vom Beklagten anhängig gemachte Widerklage die Klägerin verurteilt, an ihn Schadensersatz auf Grund ärztlicher Fehlbehandlung i.H.v. 6.483,23 EUR sowie daneben Schmerzensgeld zur Höhe von 3.500 EUR zu leisten.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin vom 3.5.2004 (GA 275), die sie - nach gewährter Fristverlängerung - mit Schriftsatz vom 5.7.2004 (GA 290 ff.) begründet hat. Der Beklagte seinerseits hat mit Schriftsatz vom 18.5.2004 (GA 278) seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt und zugleich beantragt, ihm für das Berufungsverfahren gem. § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Mit Schriftsatz vom 18.8.2004 hat der Beklagte auf die Berufungsbegründung erwidert und nochmals um den Erlass eines Prozesskostenhilfebeschlusses gebeten, da wegen § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Prüfung der Erfolgsaussichten und einer Mutwilligkeit nicht stattfinde.
Der Senat ist in ein Prüfungsverfahren nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 ZPO bisher - ob der Geschäftslage - nicht eingetreten.
II. Dem Beklagten und Berufungsbeklagten ist auf seinen Antrag vom 18.5.2004 für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO).
1. Entgegen einer in der obergerichtlichen Judikatur (OLG Düsseldorf v. 22.10.2002 - 4 UF 188/02, MDR 2003, 658 f. = OLGReport Düsseldorf 2003, 64; OLG Celle v. 28.10.2003 - 6 U 170/03, MDR 2004, 598 = OLGReport Celle 2004, 24) vertretenen Auffassung kann dem erstinstanzlich vollen Umfangs obsiegenden Berufungsbeklagten die Prozesskostenhilfe nicht allein deshalb versagt werden, weil infolge einer noch nicht getroffenen Entscheidung, ob die Berufung der Klägerin nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sein wird, für eine Rechtsverteidigung keine Notwendigkeit angezeigt erscheint.
Die genannten OLG begründen ihre Ansicht - bei einer im Einzelnen abweichenden Verfahrenskonstellation - im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen:
a) Prozesskostenhilfe in der Rechtsmittelinstanz sei nach allgemeiner Meinung immer erst und nur dann zu bewilligen, wenn die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens feststehe. Solches habe der BGH jedenfalls für den Fall des § 522 Abs. 1 ZPO entschieden. Prozesskostenhilfe sei dem Rechtsmittelgegner im Allgemeinen erst zu einem Zeitpunkt zu gewähren, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel begründet habe. Denn erst nach Eingang der Begründung stehe fest, ob das Rechtsmittel nicht als unzulässig zu verwerfen sei. Von daher stelle sich auch erst ab diesem Zeitpunkt die Frage nach der Notwendigkeit einer Rechtsverteidigung (BGH v. 10.2.1988 - IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942; st. Rspr., so auch: OLG Karlsruhe v. 1.6.1989 - 15 U 12/89, NJW-RR 1989, 1152; OLG Hamburg JurBüro 1994, 423, m.w.N.; anders: OLG Karlsruhe JurBüro 1986, 1729; v. 4.8.1986 - 2 UF 317/85, NJW-RR 1987, 62; FamRZ 1996, 807, m.w.N.; zum Ganzen auch: Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 119 ZPO Rz. 55). Dieser Fall müsse dem, dass das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO verfahre und einen entsprechenden Hinweis (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO) - an Rechtsmittelführer und -gegner - erteile, gleichgestellt werden. In beiden Fällen erscheine die Rechtsverteidigung mutwillig (so: OLG Celle v. 28.10.2003 - 6 U 170/03, MDR 2004, 598 = OLGReport Celle 2004, 24). Auch würden sich das Verfahren zur Verwerfung einer unzulässigen Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO und das Verfahren zur Zurückweisung durch einstimmigen Beschluss als unbegründet (§ 522 Abs. 2 ZPO) ähneln; es zeige sich jeweils kein Gebot für eine Rechtsverteidigung; dem Rechtsmittelgegner sei zuzumuten, den Fort- und Ausgang des jeweiligen Verfahrens abzuwarten (OLG Düsseldorf v. 22.10.2002 - 4 UF 188/02, MDR 2003, 658 f. = OLGReport Düsseldorf 2003, 64).
b) Überdies, so wird angeführt (OLG Celle v. 28.10.2003 - 6 U 170/03, MDR 2004, 598 = OLGReport Celle 2004, 24), belaste die bedürftige Partei in beiden Fällen die Gesamtheit ihrer Mitbürger sinnlos mit Kosten. Denn sie lasse einen Anwalt zu einem Zeitpunkt dem Gericht ggü. tätig werden, zu dem noch gar nicht feststehe, ob es seiner Einschaltung zur Rechtsverteidigung bedürfe.
2. Der Senat vermag dieser - soweit zu übersehen bisher mehrheitlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen - Rechtsmeinung nicht zu folgen. Sie widerspricht dem klaren Wortlaut des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO (a); sie kann ihre Rec...