Verfahrensgang
LG Rostock (Beschluss vom 21.10.1993; Aktenzeichen 9 O 61/93) |
Tenor
Die Beschwerde des Rechtsanwalts … vom 05.11.1993 gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 21.10.1993 (Aktenzeichen: 9 O 61/93) wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluß vom 21.10.1993 eingelegte Beschwerde des Rechtsanwaltes … ist gemäß §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Der Wert des mit der Klage verfolgten Räumungs- und Herausgabebegehrens bestimmt sich nach § 16 Abs. 2 GKG auf den für die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Mietzins, sofern nicht nach § 16 Abs. 1 GKG ein geringerer Streitwert maßgebend ist.
Mietzins ist nach der Grundlagenentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH MDR 1956, 349 zu § 8 ZPO und § 10 Abs. 1 GKG alte Fassung) nicht nur der eigentliche in Geld zu zahlende oder in Naturalien zu erbringende Mietzins, sondern auch vertragliche Gegenleistungen anderer Art wie die Übernahme von öffentlichen Abgaben und sonstigen Lasten, Feuerversicherungsprämien, Instandsetzungskosten, Baukostenzuschüsse mit Ausnahme solcher Leistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden. Dazu zählen Entgelte für zusätzliche Leistungen des Vermieters außerhalb der eigentlichen Raumüberlassung, zum Beispiel Beheizung und Warmwasserbezug (BGH, a.a.O. = BGHZ 18, 168, 173).
Diese Entscheidung hat zur Bestimmung der Wertberechnung wenig zur Klärung beigetragen; ihr wird von den Instanzgerichten vielfach nicht mehr gefolgt. Ein Teil der Instanzgerichte versteht unter Mietzins im Sinne der §§ 8 ZPO, 16 GKG die Bruttomiete einschließlich aller Nebenleistungen (vgl. Landgericht Heilbronn, MDR 1989, 750; Landgericht Kiel, Kostenrechtsprechung, § 16 GKG Nr. 68; weitere Nachweise bei Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., München 1994, Anhang zu § 3 ZPO Rdn. 92 und Zöller-Schneider, Kommentar zur ZPO, 18. Aufl., Köln 1993, § 3 ZPO Rdn. 16 – Mietstreitigkeiten).
Dagegen stellt die Gegenmeinung gerade umgekehrt auf die Nettomiete ab (OLG Oldenburg, Juristisches Büro 1991, 416, 417 mit ablehnender Anmerkung Schneider, Kostenrechtsprechung, GKG, § 16 Nr. 69; Landgericht Düsseldorf, Juristisches Büro 1989, 685; 1987, 876; jeweils mit weitere Nachweisen).
Mietzins ist nach der Begriffsbestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung. Das ist, den Fall der Vereinbarung eines festen Monatsbetrages ausgenommen, mit dem sämtliche Nebenkosten abgegolten sind, der Nettomietzins ohne jegliche Nebenkosten.
Die Einordnung und der Umfang der Nebenkosten, seien es verbrauchsabhängige oder verbrauchsunabhängige Nebenkosten, ist dagegen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte umstritten und in ihrer Einordnung kaum noch überschaubar. So sollen dem Mietzins zugerechnet werden die Kosten für Brandversicherung (Schmidt-Futterer, Rechtspfleger 1968, 215), Straßenreinigung (Landgericht Braunschweig, ZMR 1982, 281), Hausverwaltungskosten (Schmidt-Futterer, a.a.O.; Landgericht Essen, Juristisches Büro 1972, 897), Gebäudereparatur (BGH, a.a.O.; Schmidt-Futterer, a.a.O.), Baukostenzuschüsse (BGH, a.a.O., S. 173; Schmidt-Futterer, a.a.O.), Flur- und Treppenreinigung (Schmidt-Futterer, a.a.O.) – vgl. Zöller-Schneider, ZPO, 18. Aufl., Köln 1993, § 3 Rdn. 16 „Mietstreitigkeiten” und Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., München 1994, Anhang § 3 Rdn. 78, jeweils mit weiteren Nachweisen. Eine klare und im Rahmen des § 3 ZPO praktikable Abgrenzung zur Ermittlung der Wertfestsetzung bei Mietstreitigkeiten hat die umfangreiche Rechtsprechung aber nicht vermitteln können.
Soweit auf den Bruttomietzins deshalb abgestellt wird, weil gerade über diese Leistungen häufig gestritten werde, läßt sich die Begriffsbestimmung des § 535 Satz 2 BGB für den Bruttomietzins als Entgelt für die Gewährung der Gebrauchsüberlassung nicht heranziehen.
Der Bruttomietzins umfaßt in der Regel die Vereinbarung einer Nebenkostenvorauszahlung, die eine Vielzahl von verbrauchsabhängigen Einzelpositionen umfassen kann, die nicht der Erfüllung der Gebrauchsüberlassungspflicht dienen, für die Heranziehung zur Wertfestsetzung daher außer Betracht zu bleiben haben. Die Berücksichtigung auch von verbrauchsabhängigen Nebenkosten würde im Einzelfall zu einer Wertfestsetzung nicht ohne Willkür führen.
Dem legitimen Bedürfnis der Praxis nach klaren und ohne umfangreiche Ermittlungen festzustellenden Wertberechnungsmaßstäbe wird am ehesten dadurch Rechnung getragen, daß auf den Nettomietzins abgestellt wird. Anderenfalls wäre es mit der gemäß § 3 ZPO dem Ermessen des Gerichts unterstellten Wertfestsetzung schwerlich vereinbar, über die umlagefähigen Nebenkosten im einzelnen Beweis zu erheben, zumindest aber die für die Wertfestsetzung erforderlichen Unterlagen einzuholen und auszuwer...