Normenkette

ZPO §§ 114, 116 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Aktenzeichen 10 O 579/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Rostock vom 31.5.2002 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 2.7.2002 – 10 O 579/01 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG Rostock zurückverwiesen mit der Maßgabe, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deshalb zu versagen, weil den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten sei, die Kosten aufzubringen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt für seine beabsichtigte Werklohnklage auf Zahlung von 74.146,24 DM Prozesskostenhilfe. Die Masse des verwalteten Vermögens genügt derzeit nicht, um die Massekosten und -schulden zu decken.

Das LG hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen, da der Antragsteller nicht dargelegt habe, dass es den wirtschaftlich Beteiligten nicht möglich sei, sich an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen. Den Gläubigern der 20 anerkannten Forderungen, die 10 DM übersteigen, sei ein entspr. Anteil an den Prozesskosten zuzumuten.

Mit seiner frist- und formgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass bei einem vollständigen Prozesserfolg lediglich 43.000 DM zur Ausschüttung gelangen könnten. Bezogen auf die anerkannten Forderungen betrüge die Quote damit gut 4 %. Bei diesem relativ unerheblichen Vermögensvorteil sei eine Beteiligung wegen des Kostenrisikos nicht zuzumuten.

Das LG hat mit seinem Nichtabhilfebeschluss eine Quote von 7 % errechnet, die eine Beteiligung der Hauptgläubiger zumutbar mache.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Denn es ist den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten, die Kosten aufzubringen (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Zuzumuten sind Vorschüsse auf die Prozesskosten nur solchen Beteiligten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozessrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH v. 27.9.1990 – IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = NJW 1991, 40). Abzustellen ist bei der Frage der objektiven Zumutbarkeit auf die Sicht eines unbeteiligten vernünftigen Dritten (Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, ZPO, 61. Aufl., § 116 Rz. 11).

In der Rspr. der OLG wird versucht, die Frage der Zumutbarkeit durch eine Quote zu beantworten, wobei trotzdem auf allgemeine Kriterien zurückgegriffen wird (z.B. OLG Naumburg ZInsO 2002, 586: „Nennenswerte Verbesserung”; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.2.1997 [Zitiert nach BGH v. 7.7.1997 – II ZB 7/97, MDR 1997, 969 = NJW 1997, 3318]: „Erhebliche Quote”; OLG Köln v. 10.9.2002 – 22 W 43/02, OLGReport Köln 2003, 14 [16]: „Deutlich über anteiliger Beteiligung”; KG ZIP 2003, 270 [271]: „Ganz erhebliche Quotenverbesserung”). Das OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 21.8.2000 – 6 W 534/00, MDR 2000, 1396 = OLGReport Koblenz 2001, 97) hat ohne nähere Begründung die Zumutbarkeit bei einer Quote von 4,5 % bejaht (offen gelassen von OLG Düsseldorf v. 18.3.2002 – 21 W 48/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 315 [dort Quote von 20 %]).

Im vorliegenden Fall würde die Quote bei einem vollständigen Prozesserfolg 4,6 % und nicht – wie vom LG errechnet – mehr als 7 % betragen. Die Berechnung des LG im Nichtabhilfebeschluss übersieht, dass die Verwaltervergütung progressiv ansteigt.

Die Frage der Zumutbarkeit kann aber nicht schematisch mit einer Quote beantwortet werden. Denn abzustellen ist auf eine vernünftige Betrachtungsweise und deshalb auf die Umstände des konkreten Falls. Auf die relative Verbesserung der Quote eines Gläubigers kann nicht abgestellt werden (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 18.6.2002 – 7 W 47/02), weil die vernünftige Betrachtungsweise nicht durch eine relative Verbesserung der Quote ersetzt werden kann.

Ein Gläubiger wird seine wirtschaftlich begründete Entscheidung, sich an den Prozesskosten zu beteiligen, davon abhängig machen, wie wahrscheinlich ein absoluter Erfolg bezogen auf die vom Insolvenzverwalter anerkannte Forderung sein wird. Diese Frage ist anhand einer überschlägigen Berechnung mit absoluten Zahlen zu beantworten.

Gläubiger mit geringen Forderungen scheiden als wirtschaftlich Beteiligte i.S.v. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO aus (vgl. die Nachweise in OLG Düsseldorf v. 18.3.2002 – 21 W 48/01, OLGReport Düsseldorf 2002, 315). Von den danach als wirtschaftlich Beteiligte in Betracht kommenden 14 Gläubigern, deren Forderungen 20.000 DM übersteigen, sind die Bundesanstalt für Arbeit und die Träger der Sozialverwaltung (Bauberufsgenossenschaft, IKK und Lohnausgleichskasse) aus Rechtsgründen nicht an einer möglichen Vorschusspflicht zu beteiligen (BGH v. 24.3.1998 – XI ZR 4/98, MDR 1998, 737 = NJW 1998, 1868 m.w.N.).

Die anerkannten Forderungen der verbliebenen 10 Großgläubiger belaufen sich auf 563.301,17 DM. Die Gläubigerin mit der höchsten Einzelf...

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