Leitsatz (amtlich)
1. Wenn im Hinblick auf § 302 InsO die Feststellung begehrt wird, dass eine bereits titulierte Unterhaltsforderung auch aufgrund unerlaubter Handlungen des Schuldners besteht, sind für die Feststellungsklage nach § 184 Abs. 2 InsO erstinstanzlich nicht die Familiengerichte sondern die Zivilkammern der LG bzw. die Zivilabteilungen der AG sachlich zuständig.
2. Der Streitwert der Feststellungsklage ist nach dem vollen Wert der festzustellenden Forderung zu bestimmen.
Normenkette
InsO § 184 Abs. 2, § 302
Verfahrensgang
Tenor
Zur Entscheidung berufen ist das AG S - Familiengericht -.
Gründe
I. Gemäß Vorlagebeschluss vom 22.12.2010 begehrt das AG S - Familiengericht - die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit nach § 36 ZPO. Folgender Sachverhalt liegt dem Begehren zugrunde:
Gemäß rechtskräftigem Urteil des AG S - Familiengericht - vom 18.4.2008 steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Unterhaltsanspruch i.H.v. insgesamt 10.523,83 EUR zu. Anspruchsgrundlage für die Forderung ist nach dem genannten Urteil § 1615l BGB. Auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wird ergänzend verwiesen. Der Beklagte ist in Vermögensverfall geraten. Gemäß Eröffnungsbeschluss vom 13.8.2009 ist über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Klägerin hat ihre o.g. Forderung am 25.9.2009 zur Insolvenztabelle angemeldet. Sie hat - im Hinblick auf § 302 Nr. 1 InsO - ausgeführt, die Forderung ergebe sich auch aus unerlaubter Handlung. Der Beklagte habe sich ihr gegenüber nach den §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB schadensersatzpflichtig gemacht, indem er die titulierte Forderung nicht erfüllt habe. Er sei hierzu finanziell in der Lage gewesen. Der Beklagte hat gegen die Klassifizierung der Forderung als eine solche aus unerlaubter Handlung Widerspruch eingelegt.
Die Klägerin hat nunmehr Klage auf Feststellung erhoben, dass es sich bei der genannten zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung um eine Deliktsforderung handelt.
Das LG S hat die Ansicht vertreten, es sei für die Klage nicht zuständig. Eine Zuständigkeit ergebe sich nicht aufgrund des Streitwertes. Der Streitwert einer Feststellungsklage bemesse sich mit maximal 5 % der Hauptforderung.
Zuständig sei das AG S - Familiengericht. Die Feststellung, dass eine Unterhaltspflicht nach § 231 Ziff. 3 FamFG auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhe, sei zwingend als Annexzuständigkeit anzusehen, auch wenn nicht ausdrücklich auf die Vorschriften der InsO verwiesen werde.
Es hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Schwerin - Familiengericht - verwiesen.
Dieses hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, sich für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem OLG zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt. Bei dem Rechtsstreit handele es sich nicht um ein Unterhaltsverfahren nach § 231 Ziff. 3 FamFG.
Hinsichtlich der Einzelheiten im Übrigen wird auf die beiden genannten Gerichtsbeschlüsse verwiesen.
II. Die Vorlage des Verfahrens beim OLG zur Entscheidung über die Zuständigkeit ist gem. § 36 Nr. 6 ZPO zulässig. Sowohl das LG S als auch das AG S - Familiengericht - haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Die Rechtskraft dieser Beschlüsse folgt aus § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO (vgl. auch Ewers FamRZ 1999, 74, 75 re. Sp.).
Der Familiensenat des OLG Rostock ist für die Kompetenzstreitigkeit zuständig. Das gemeinsame höhere Gericht von AG und LG Schwerin ist das OLG Rostock - § 36 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Geschäftsverteilungsplan des OLG enthält für Fälle wie den vorliegenden keine spezielle Zuständigkeitsregelung. Daher gelten die allgemeinen Regeln. Es liegt ein Zuständigkeitskonflikt zwischen einer Zivilkammer des LG und dem Familiengericht vor. Da der Familiensenat aufgrund seiner Zuständigkeit für Familiensachen über besondere Kenntnisse im Familienrecht verfügt, ist er und nicht der Zivilsenat für die Entscheidung des Kompetenzkonflikts zuständig (vgl. BGH NJW-RR 1991, 1081; OLG Rostock FamRZ 2004, 650; OLG Zweibrücken FamRZ 1987, 1275; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 4 m.w.N.).
Zuständig ist das AG S - Familiengericht.
Zwar ist dem Familiengericht zuzustimmen, dass es sich bei dem Rechtsstreit um eine Streitigkeit handelt, zu deren Entscheidung das LG S - Zivilkammer - berufen ist.
Denn entgegen der Auffassung des LG S handelt es sich nicht um eine Familiensache. Welche Rechtsstreitigkeiten Familiensachen - hier Familienstreitsachen - sind, ist in den §§ 111, 231 FamFG geregelt. Von diesen Vorschriften werden Schadensersatzansprüche, die auf der Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB beruhen, nicht erfasst.
Das Familiengericht ist auch nicht im Rahmen einer Annexzuständigkeit zur Entscheidung berufen. Der Unterhaltsrechtsstreit ist unstreitig mit rechtskräftigem Urteil des AG S - Familiengericht - vom 18.4.2008 (Az.: 20 F 34/07) beendet worden, bevor die Feststellungsklage anhängig gemacht worden ist.
Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich nicht aus § 180 InsO. Zu...