Leitsatz (amtlich)
Einer Rückführung eines Kindes gemäß Art. 12 Abs. 1 HKÜ in einen anderen Vertragsstaat, als den Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes stehen im Regelfall die Schutzzwecke des HKÜ entgegen, so dass eine solche nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.
Normenkette
KiEntfÜbk Haag Art. 3-4, 12 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Rostock (Beschluss vom 13.07.2021; Aktenzeichen 12 F 121/21) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rostock - Familiengericht - vom 13.07.2021 (12 F 121/21) wird zurückgewiesen.
I. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Rückführung des gemeinsamen Kindes D., geboren am ..., nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (HKÜ) i.V.m. Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO).
Der Antragsteller (Kindesvater) ist französischer Staatsbürger, die Antragsgegnerin (Kindesmutter) ist deutsche Staatsangehörige. D. wurde am XX.XX.2012 in Berlin geboren und besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Familie lebte nach der Geburt von D. zunächst in Berlin. Als D. 8 Monate alt war, verzog die Familie für ein Jahr nach Frankreich und kehrte anschließend nach Deutschland zurück. Seit dem XX.XX.2017 ist D. in B. gemeldet. Ab September 2017 besuchte er dort den Kindergarten. Die Eltern heirateten am XX.XX.2019. Ebenfalls im August 2019 wurde D. in die ... Grundschule in B. eingeschult. Die Familie zog unmittelbar im September 2019 gemeinsam nach La Palma in Spanien. D. besuchte dort die Schule. Die Kindesmutter hielt sich zur Fortführung ihrer Facharztausbildung ab Oktober 2019 und auch im Jahr 2020 zeitweise in Deutschland auf. Anfang Oktober 2020 kam die Kindesmutter nach La Palma zurück und reiste am 3. Oktober 2020 mit D. gemeinsam nach Deutschland. Seitdem lebt sie zusammen mit D. wieder in B.. Der Kindesvater hält sich seit Oktober 2020 in Bordeaux in Frankreich auf. Er erstattete dort am 26. Oktober 2020 gegen die Kindesmutter Strafanzeige wegen "Kindesentziehung aus den Händen eines Sorgerechtsinhabers und Verbringung außerhalb Frankreichs" (Anlage 4, ...). Die Antragsgegnerin wurde durch das Bundesamt für Justiz mit Schreiben vom 11.03.2021 zur freiwilligen Rückgabe des Kindes aufgefordert. Der Aufforderung kam die Antragsgegnerin nicht nach.
Der Kindesvater hat erstinstanzlich vorgetragen, er habe sich um die Betreuung und Versorgung des Kindes in Spanien gekümmert. Die Kindesmutter sei nach dem ersten Jahr in Spanien wieder nach Deutschland zurückgegangen, um ihr Facharztstudium abzuschließen. Sie habe das Kind und den Kindesvater regelmäßig besucht und sei dann ein paar Wochen oder Monate in Spanien geblieben. Zwischen den Eltern sei vereinbart gewesen, dass das Kind beim Kindesvater bleibt. Am 3. Oktober 2020 sei die Kindesmutter überraschend nach La Palma gekommen. Sie habe, während er sich im Bad befunden habe, das Kind ohne Vorwarnung mitgenommen. Nach telefonischer Ankündigung sei sie am nächsten Tag vorbeigekommen und habe den Pass und einige Sachen des Kindes mitgenommen. Dann habe sie D. ohne sein Wissen nach Deutschland gebracht. Er habe im Oktober 2020 entschieden, aus beruflichen Gründen nach Frankreich zu ziehen. Die Kindeseltern hätten vereinbart, dass D. gemeinsam mit dem Antragsteller in Frankreich leben werde.
Der Kindesvater hat erstinstanzlich beantragt,
I. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind D., geboren am ..., derzeitige Anschrift ..., innerhalb einer angemessenen Frist nach Frankreich zurückzuführen und
I. sofern die Antragsgegnerin der Verpflichtung zu 1. nicht nachkommt, die Herausgabe des Kindes D., geboren am ..., an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Frankreich anzuordnen.
Die Kindesmutter hat erstinstanzlich beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, sie habe sich ab dem 29.09.2019 in Deutschland zur Fortsetzung ihrer Facharztausbildung aufgehalten. Der Kindesvater und D. seien Anfang Dezember 2019 nach Deutschland gekommen und die Familie habe in Deutschland das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel verbracht. Anfang 2020 sei die Familie gemeinsam wieder nach La Palma geflogen. Ab dem 22.07.2020 habe sie - die Antragsgegnerin - sich zur Fortführung ihrer Facharztausbildung wieder in Deutschland aufgehalten. Da der Kindesvater Probleme bei der Betreuung von D. gehabt habe, sei sie zurück nach La Palma gereist. In einem Gespräch mit dem Kindesvater seien die Eltern übereingekommen, dass sie D. mit nach Deutschland nehmen werde. Zu keinem Zeitpunkt habe es eine Absprache zwischen den Eltern gegeben, nach Frankreich zu ziehen und schon gar nicht, dass der...