Leitsatz (amtlich)

1. Die Sätze 1 und 2 des § 33 Abs. 1 SGB II stehen nicht in einem Alternativverhältnis, sondern regeln unterschiedliche Sachverhalte, die kumulativ vorliegen können.

2. § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II begründet einen Anspruchsübergang nur insoweit, als wegen der unterbliebenen Unterhaltszahlung der dem Kindergeldberechtigten als Einkommen anzurechnende Kindergeldüberhang verkürzt war bzw. entfallen ist und deshalb höhere Leistungen erbracht wurden. Der Anspruchsübergang ist danach einerseits durch die Höhe der Verkürzung des Kindergeldüberhangs und die darauf zurückzuführenden Mehrleistungen, andererseits durch die Höhe des - hier nach Abzug des Anspruchsübergangs auf die Unterhaltsvorschusskasse - verfügbaren Unterhaltsanspruchs begrenzt.

 

Normenkette

SGB II § 33 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Pasewalk vom 10.07.2019 in der Fassung der Berichtigung vom 03.09.2019 - 205 F 75/19 - im Tenor zu 1 und zu 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Unterhalt für R., geboren am 15.11.2010, wohnhaft in ..., für die Zeit vom 01.07.2018 bis 31.01.2019 in Höhe von 686 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2019 zu zahlen.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Unterhalt für J., geboren am 05.11.2012, wohnhaft in ..., für die Zeit vom 01.07.2018 bis 31.01.2019 in Höhe von 839 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2019 zu zahlen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Der Antragsteller macht aus übergegangenem Recht für den Zeitraum 07/2018 bis 01/2019 rückständigen (Mindest-) Unterhalt der Kinder R., geboren am 15.11.2010, und J., geboren am 05.11.2012, zudem im Weg des Stufenantrags Auskunft, eidesstattliche Versicherung und laufenden Unterhalt ab 02/2019 geltend.

Der Antragsgegner ist der Vater der Kinder. Er zahlte keinen Unterhalt, für die Kinder wurden Unterhaltsvorschussleistungen gezahlt. Der Antragsteller erbrachte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach SGB II an die Bedarfsgemeinschaft bestehend aus Kindesmutter und beiden Kindern. Hinsichtlich der Kinder stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar:

Unterhaltsfehlbetrag

SGB II-Leistungen

Jahr

Monat

Unterhaltsanspruch

Unterhaltsvorschuss

erbrachte Leistungen

hypothetische Leistungen bei vollem Unterhalt

R.

2018

7

302,00

205,00

6,62

0,00

8

302,00

205,00

6,62

0,00

9

302,00

205,00

35,45

0,00

10

302,00

205,00

35,45

0,00

11

302,00

205,00

36,46

0,00

12

302,00

205,00

36,61

0,00

2019

1

309,00

205,00

41,18

0,00

J.

2018

7

251,00

154,00

4,34

0,00

8

251,00

154,00

4,34

0,00

9

251,00

154,00

32,15

0,00

10

251,00

154,00

32,15

0,00

11

302,00

154,00

66,04

0,00

12

302,00

154,00

71,40

0,00

2019

1

309,00

154,00

76,38

0,00

Für die Kindesmutter erbrachte der Antragsteller ohne Anrechnung eines Kindergeldüberhangs folgende Leistungen:

Mutter

Jahr

Monat

erbrachte Leistungen

2018

7

224,54

8

224,54

9

477,17

10

477,17

11

490,80

12

492,77

2019

1

506,09

Das Amtsgericht hat mit Teil-Versäumnis- und Endbeschluss vom 10.07.2019 (GA 30) in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 04.09.2019 (GA 47) den Antragsgegner zur Auskunft (I. Stufe) sowie zur Zahlung rückständigen Unterhalts in Höhe der für die Kinder erbrachten Leistungen verpflichtet:

Jahr

Monat

verfügbarer Unterhaltsanspruch (Zahlbetrag abzgl. Unterhaltsvorschuss)

Zuvielleistung SGB II

Anspruchsübergang

R.

2018

7

97,00

6,62

6,62

8

97,00

6,62

6,62

9

97,00

35,45

35,45

10

97,00

35,45

35,45

11

97,00

36,46

36,46

12

97,00

36,61

36,61

2019

1

104,00

41,18

41,18

198,39

J.

2018

7

97,00

4,34

4,34

8

97,00

4,34

4,34

9

97,00

32,15

32,15

10

97,00

32,15

32,15

11

148,00

66,04

66,04

12

148,00

71,40

71,40

2019

1

155,00

76,38

76,38

286,80

Den weitergehenden Zahlungsantrag hinsichtlich der Unterhaltsrückstände hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe nicht die tatsächlich an die Kinder geflossenen Zahlungen zugrunde gelegt, sondern den Unterhaltsanspruch abzüglich der Unterhaltsvorschussleistungen und des hälftigen Kindergelds. Satz 1 und 2 des § 33 Abs. 1 SGB II stünden in einem Alternativverhältnis. Satz 2 greife nur dann, wenn das Kind gerade nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, sondern nur der Haushaltsgemeinschaft sei. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen und Anträge wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen den am 22.07.2019 zugestellten Beschluss sowie den am 10.09.2019 zugestellten Berichtigungsbeschluss wendet sich - soweit sein Antrag abgewiesen wurde - der Antragsteller mit der am 20.08.2019 bzw. 18.09.2019 eingegangenen Beschwerde und der am 16.09.2019 eingegangenen Beschwerdebegründung. Er macht geltend, § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II finde neben S. 1 der Vorschrift Anwendung.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Pasewalk vom 10.07.2019 in der Fassung der Bericht...

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