Verfahrensgang
LG Stralsund (Entscheidung vom 21.08.2012; Aktenzeichen 23 KLs 31/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I. Mit Anklageschriften vom 14.08.2009 (532 Js 8276/09) und 19.03.2010 (532 Js 3367/09) erhob die Staatsanwaltschaft Stralsund Anklage zum Landgericht Stralsund gegen den Beschwerdeführer und einen weiteren Mitbeschuldigten wegen Untreue u.a.. Mit Beschluss vom 18.08.2010 ließ die Große Strafkammer die Anklageschrift 532 Js 3367/09 mit Ausnahme der Anklagepunkte 15.- 22. unverändert zur Hauptverhandlung zu und beschloss die Eröffnung des Hauptverfahrens.
Mit Beschluss vom 28.10.2011 trennte die Kammer das Verfahren gegen den Beschwerdeführer ab und stellte es im Hinblick auf eine gutachterlich festgestellte, auf unabsehbare Zeit andauernde Verhandlungsunfähigkeit gemäß § 205 StPO vorläufig ein.
Im Rahmen der Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten S. ordnete die Kammer die erneute Begutachtung des Beschwerdeführers, diesmal zu der Frage seiner Vernehmungsfähigkeit als Zeuge an. Wegen der auch in diesem Zusammenhang festgestellten dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers stellte die Kammer mit dem - insoweit nicht angefochtenen - Beschluss das Verfahren gegen ihn wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit gemäß § 206 a StPO ein. Im Rahmen der Kostenentscheidung hat sie davon abgesehen, auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse aufzuerlegen. Das Verfahren gegen den Mitangeklagten S. ist zwischenzeitlich - nicht rechtskräftig - mit dessen Verurteilung wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten zur Bewährung abgeschlossen worden. Gegen die Auslagenentscheidung in dem Einstellungsbeschluss richtet sich die durch die Verteidigerin des Angeklagten L. eingelegte sofortige Beschwerde. Mit dieser wird insbesondere ausgeführt, die Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO erfordere die weitgehende Durchführung einer Hauptverhandlung, aus der sich bei Eintritt des Verfahrenshindernisses ein auf eine durchgeführte Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht ergebe und die keine Umstände aufgezeigt hätte, die bei ihrer Fortführung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würde. Zudem seien bei einer Verfahrenseinstellung wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit die notwendigen Auslagen nur dann vom Angeklagten zu tragen, wenn das Verfahrenshindernis auf dessen vorwerfbarem Verhalten beruhe. An beiden Voraussetzungen mangele es im vorliegenden Fall. Eine Anwendung des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO sei daher nicht vertretbar. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel mit näherer Begründung entgegengetreten.
II. Die gemäß § 464 Abs. 3, §§ 304, 311 Abs. 2 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht Stralsund hat im Ergebnis zu Recht gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO von einer Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse abgesehen. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von dem Grundsatz des § 467 Ab. 1 StPO davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn ein Angeschuldigter oder Angeklagter wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind bereits erfüllt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen (vgl. BGH NStZ 2000, 330; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 246; OLG Hamm VRS 100, 52; OLG Köln NJW 1991, 506; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; offengelassen weil nicht entscheidungsrelevant: Senatsbeschl. v. 06.04.2004 - I Ws 350/03; Meyer - Goßner, StPO, 55. Auflage, § 467 Rdnr. 16). Der Gegenmeinung, wonach eine Versagung der Auslagenerstattung nur in Betracht kommt, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung erfolgt wäre (vgl. KG NJW 1994, 600; StraFO 2005, 483; OLG Düsseldorf OLGSt Nr. 9 = NStZ-RR 1997, 288), ist nicht zu folgen, weil eine solche Auslegung den Anwendungsbereich der Vorschrift wegen der mit Blick auf die Unschuldsvermutung erforderlichen Schuldspruchreife auf Fälle beschränkt, in denen ein Verfahrenshindernis erst in der Hauptverhandlung nach dem letzten Wort eines Angeklagten zu Tage tritt (BGH NStZ 2000, 330, 331; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; OLG Hamm, VRS 100, 52, 54). Bei Einstellungen vor vollständiger Durchführung der Hauptverhandlung wäre demnach ein Absehen von der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse von vornherein ausgeschlossen. Für die praktische Anwendung der Norm bliebe, ohne dass dies dem Wortlaut des § 467 Abs. ...