Leitsatz (amtlich)
Eine eigene Zuständigkeit des Amtes im Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben seiner amtsangehörigen Gemeinden und damit seine Prozessführungsbefugnis und Parteifähigkeit in einem zivilprozessualen Verfahren ist begründet, wenn eine Gemeinde dem Amt eine solche Aufgabe durch einen entsprechenden Willensakt übertragen hat (Fortführung OLG Rostock, Urteil vom 21. Mai 2010 - 5 U 145/09, zitiert nach juris).
Normenkette
KV MV § 127 Abs. 4; SchulG MV § 104 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 12.10.2022; Aktenzeichen 4 OH 20/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des antragstellenden Amtes wird der Beschluss des Landgerichtes Stralsund vom 12.10.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem die erforderlichen Anordnungen übertragen werden.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Zurückweisung eines Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens.
Das antragstellende Amt beauftragte Anfang des Jahres 2012 die Antragsgegnerin zu 1) mit Dämm-, Armierungs- und Putzarbeiten im Rahmen der Sanierung des Schulgebäudes "X" in 1.... N.; die Planung und Bauaufsicht nahm ein Architektenbüro wahr, dessen Inhaber die Antragsgegner zu 2) bis 4) sind.
Früherer Schulträger und Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Gebäudes war die Gemeinde N. Mit Beschluss der Gemeindevertretung vom 18.05.1999 übertrug sie die Schulträgerschaft einschließlich des Eigentums an dem Schulgebäude auf das antragstellende Amt. Das zuständige Ministerium genehmigte den Wechsel der Schulträgerschaft mit Datum vom 04.02.2000, und das antragstellende Amt wurde in der Folge auch als Grundstückseigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Nachdem die Arbeiten der Antragsgegnerin zu 1) im Jahr 2013 abgeschlossen waren, wurden im Sommer 2021 an der Außenfassade des sanierten Gebäudes Putzablösungen sowie Risse im Putz und Blasenbildung festgestellt. Die Antragsgegnerin zu 1) lehnte auf eine entsprechende Anzeige des antragstellenden Amtes eine Einstandspflicht letztlich wegen einer Mangelfreiheit ihrer Leistungen sowie des Ablaufes der Gewährleistungsfrist ab; die Antragsgegner zu 2) bis 4) verwiesen auf die Notwendigkeit der Ursachenklärung durch einen Sachverständigen.
Das antragstellende Amt hat daraufhin die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt zur Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Feststellung des Vorhandenseins, der Ursachen und der Verantwortlichkeit bezüglich von Putzschäden an dem verfahrensgegenständlichen Schulgebäude sowie der notwendigen Maßnahmen und Kosten für ihre Beseitigung.
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen und die Kosten dem antragstellenden Amt bei Festsetzung eines Streitwertes von bis zu 100.000,00 EUR auferlegt. Es hat dazu ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Ein Amt sei in einem Zivilprozess über Mängelansprüche nicht parteifähig und prozessführungsbefugt. Unabhängig davon, dass § 127 Abs. 4 KV M-V regele, dass mehrere amtsangehörige Gemeinden gemeinsam dem Amt Selbstverwaltungsaufgaben übertragen könnten, und hier nicht mehrere amtsangehörige Gemeinden einen Übertragungsbeschluss gefasst hätten, bestimme § 127 Abs. 1 Satz 1 KV M-V die Ausführungsbefugnisse des Amtes nicht dahingehend, dass es an die Stelle der Gemeinde trete. Vielmehr habe das Amt die Entscheidungen der Gemeindeorgane vorzubereiten und sie auszuführen, mithin die Verwaltungsarbeit sachgerecht für die Gemeinde zu erledigen. Insoweit sei trotz einer Genehmigung der Übertragung der Schulträgerschaft von der Gemeinde N. auf das antragstellende Amt durch das zuständige Ministerium weiterhin erstere die zuständige parteifähige Gebietskörperschaft, auch wenn das antragstellende Amt den hier maßgeblichen Bauvertrag im eigenen Namen ausgelöst habe. Daneben sei ein Amt auch nicht im Grundbuch eintragungsfähig, sodass auch eine solche Eintragung die Verantwortlichkeit der hinter dem Amt stehenden Gemeinde als hier anzunehmende tatsächliche Auftraggeberin nicht ändere.
Gegen den ihm formlos übersandten Beschluss wendet sich das antragstellende Amt mit seiner am 18.10.2022 erhobenen sofortigen Beschwerde. Es beruft sich erneut auf die erfolgte Übertragung der Schulträgerschaft durch die Gemeinde N. Die Unterhaltung und Bewirtschaftung von Schulgebäuden gehöre dann zu den Sachkosten der äußeren Schulverwaltung, welche von den Schulträgern aufzubringen seien. Die Prozessführungsbefugnis des antragstellenden Amtes ergebe sich ebenso aus einer Eigenschaft als Eigentümer des Baugrundstückes. Seine Eintragungsfähigkeit im Grundbuch folge aus der gemäß §§ 68 bis 77, 144 KV M-V auch für ein Amt bestehenden Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung. Im Übrigen sei auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches nach § 891 BGB zu verweisen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Entgeg...