Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Nichtanzeige einer - willkürlichen oder objektiven - Gefahrerhöhung.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Aktenzeichen 4 O 400/05)

 

Tenor

Die Berufungsklägerin ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig und verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für die Berufung beträgt 263.265 EUR (§§ 47, 48 GKG; §§ 3, 6 ZPO).

 

Gründe

I. Der Entscheidung des Senats lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger begehrte von der Beklagten, bei der er eine Feuerversicherung unterhielt, Versicherungsleistungen für einen Brandschaden.

Nach einem ersten Brandschaden am 24.8.2004, auf dessen Regulierung der Kläger - ob des geringen Schadensausmaßes - verzichtete, forderte die Beklagte durch ihre Agentur den Kläger zu einer Änderung der Versicherung (Prämienerhöhung) auf. Der Kläger nahm den Änderungsantrag nicht an, woraufhin die Beklagte das Versicherungsverhältnis zum 30.10.2004 kündigte.

In der Nacht vom 8. zum 9.10.2004 kam es zu einem zweiten Brand, bei dem die auf der Gewerbeimmobilie befindlichen Gebäude teilweise völlig zerstört wurden. Der durch ein Brandgutachten ausgewiesen Schaden belief sich insgesamt auf ca. 263.265 EUR. Die Beklagte lehnte am 11.5.2005 eine Entschädigungsleistung unter Berufung auf § 27 VVG ab.

Das LG gab der Klage - ganz überwiegend - statt und erkannte, die Beklagte berufe sich ohne Erfolg auf eine aus §§ 23, 27 und 28 VVG resultierende Leistungsfreiheit wegen Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung.

II. Dagegen richtete sich die zulässige Berufung der Beklagten.

Der Senat beabsichtigte, das Rechtsmittel durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen und erteilte im Hinblick darauf nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO die nachstehenden Hinweise.

"Gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hat der Senat die Erfolgsaussicht der Berufung zu prüfen.

1. Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Da beides nicht ersichtlich ist, wird das angefochtene Urteil voraussichtlich den Berufungsangriffen standhalten.

Insofern folgt der Senat im Ergebnis der angefochtenen Entscheidung. Zu Recht hat das LG dem Kläger die der Höhe nach unstreitigen Versicherungsansprüche aus § 1 Abs. 1 VVG in Verbindung mit der unterhaltenen Gebäudeversicherung zugesprochen.

2. Das Vorbringen zur Berufung - wie auch die erstinstanzliche Rechtsverteidigung - rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Nach § 6 AFB 87, also den dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen, durfte der Kläger ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder gestatten. Weiter hatte er jede Gefahrerhöhung, die ihm bekannt wird, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn sie ohne seinen Willen eintritt. Im Übrigen gelten die §§ 23 bis 30 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein (§ 6 Nr. 2 AVB 87, GA 166). Hinsichtlich der Gefahrerhöhung sind dabei zwei Tatbestände mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen zu unterscheiden.

aa) § 23 Abs. 1 VVG behandelt den Fall der willkürlichen Gefahrerhöhung: der Versicherungsnehmer darf nach Abschluss des Vertrages keine Gefahrerhöhung ohne Einwilligung des Versicherers vornehmen oder sie einem Dritten gestatten. Erlangt der Versicherungsnehmer Kenntnis davon, dass eine vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht, so hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu erstatten (§ 23 Abs. 2 VVG). Verletzt der Versicherungsnehmer die Vorschrift des § 23 Abs. 1 VVG, so kann der Versicherer das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (§ 24 Abs. 1 VVG). Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats von dem Zeitpunkt an ausgeübt wird, in welchem der Versicherer von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt (§ 24 Abs. 2 VVG). Von der Verpflichtung zur Leistung frei sein kann der Versicherer bei einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 VVG, wenn der Versicherungsfall nach Erhöhung der Gefahr eintritt (§ 25 Abs. 1 VVG).

bb) Für den Fall der unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintretenden Gefahrerhöhung (sogen. objektive Gefahrerhöhung, vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 27 Rz. 1), bestimmt § 27 Abs. 1 VVG, dass der Versicherer berechtigt ist, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen; § 24 Abs. 2 VVG gilt entsprechend. Nach § 27 Abs. 2 VVG hat der Versicherungsnehmer, sobald er von einer Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Wird die Anzeige nach § 27 Abs. 2 VVG nicht unverzüglich gemacht, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen (

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