Leitsatz (amtlich)
Gegen die Ablehnung der Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren ist eine Beschwerdemöglichkeit nicht eröffnet.
Verfahrensgang
LG Schwerin (Beschluss vom 02.02.2006; Aktenzeichen 4 OH 3/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 2.3.2006 gegen den Beschluss des LG Schwerin vom 2.2.2006 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer haben vor dem LG Schwerin die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung der Ursache von Durchfeuchtungen ihres Hauses beantragt, welche ihrer Ansicht nach durch das nachbarliche Haus des Antragsgegners herrührten. Antragsgemäß hat das LG ein Sachverständigengutachten eingeholt. Auf Beanstandungen insbesondere der Antragsteller hat es drei Ergänzungsgutachten des Sachverständigen veranlasst.
Die Antragsteller haben dem Sachverständigen die erforderliche Fachkompetenz abgesprochen und unter Vorlage eines Privatgutachtens die Einholung eines neuen Gutachtens eines anderen Sachverständigen beantragt. Dies hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.
Hiergegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist oder wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert und durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
1. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht ein neues (weiteres) Sachverständigengutachten einholen kann, sind in § 412 ZPO geregelt, der gem. § 492 Abs. 1 ZPO auch auf das selbständige Beweisverfahren Anwendung findet. § 412 ZPO sieht ein Beschwerderecht der Verfahrensbeteiligten gegen die Entscheidung des Gerichts nicht vor.
2. Ein Beschwerderecht ist aber auch nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben.
a) Anders als die Entscheidung des Gerichtes über die mündliche Anhörung des Sachverständigen gem. §§ 411 Abs. 3, 397 ZPO, die auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten erfolgt und dem Tatrichter kein Ermessen einräumt (BGH Urt. v. 27.1.2004 - VI ZR 150/02, MDR 2004, 699; BGH Beschl. v. 13.9.2005 - VI ZB 84/04, BGHZ 164, 94; OLG Düsseldorf Beschl. vom 18.4.2000 - 22 W 10/00, NZBau 2000, 385 = NJW-RR 2001, 141; OLG Hamburg Beschl. vom 6.8.2002 - 2 Wx 47/02, WuM 2003, 114), steht die Entscheidung über die Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens nach § 412 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (BGH Urt. v. 4.3.1980 - VI ZR 6/79, VersR 1980, 533 = MDR 1980, 62; BGH Urt. v. 16.3.1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716; OLG Düsseldorf Beschl. vom 12.9.1997 - 22 W 48/97 - BauR 1998, 366 = NJW-RR 1998, 933). Prozessleitende Anordnungen des Gerichts, die in seinem freien Ermessen stehen, betreffen jedoch den amtswegigen Verfahrensgang und ermöglichen keine Anfechtung mit der Beschwerde (Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 567 Rz. 33). Eine Entscheidung von Amts wegen rechtfertigt die Beschwerde auch dann nicht, wenn mit ihr zugleich ein Gesuch einer Partei entschieden wird (Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 567 Rz. 14; ähnlich auch Stein/Jonas/Grunski, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 16; Braun in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 567 Rz. 7; OLG Rostock Beschl. vom 22.3.2007 - 7 W 122/06, OLGReport Rostock 2007, 841).
b) Eine hiervon abweichende Beurteilung ist aus Sicht des Senates auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens nicht geboten. Die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren sollen gem. § 485 Abs. 3 ZPO nicht weiter gehen als im Hauptprozess (vgl. OLG Rostock, a.a.O.; OLG Koblenz Beschl. vom 30.1.2007 - 5 W 71/07; OLG Köln Beschl. vom 28.4.1999 - 19 W 15/99, NJW-RR 2000, 729). Dieser Gleichklang muss auch für die Beschwerdemöglichkeiten gelten. Würde den Parteien des selbständigen Beweisverfahrens ein Beschwerderecht für den Fall, dass das Gericht ein erneutes Gutachten nicht einholt, wenn nur eine der Parteien dies verlangt, eingeräumt, erhielten sie ein Rechtsmittel an die Hand, welches ihnen bei einer Beweiserhebung in der Hauptsache nicht zur Verfügung stünde.
Dem wird in der Rechtsprechung vereinzelt entgegengehalten, dass das Gericht des selbständigen Beweisverfahrens eine Beweiswürdigung nach § 286 ZPO aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens nicht vorzunehmen habe und daher auch nicht von Amts wegen prüfe, ob die Voraussetzungen des § 412 ZPO vorliegen. Daher komme im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens allein auf Antrag einer der Parteien in Betracht (OLG Frankfurt Beschl. vom 7.12.2007 - 4 W 64/07), so dass die Voraussetzungen des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben seien. Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht. Der...