Leitsatz (amtlich)

Können für den Ausschlusstatbestand des § 814 BGB Beweiserleichterungen bestehen, wenn der Bereicherungsschuldner einem bestimmten Verkehrskreis angehört, der im Allgemeinen die für sein Fachgebiet wesentlichen Rechtsvorschriften kennt, reicht es dafür nicht aus, wenn Bauunternehmen eigene Rechtsabteilungen unterhalten und ab einem bestimmten Stadium bereits eine anwaltliche Begleitung bestand, sofern die Rechtsanwendung die Beurteilung Allgemeiner Geschäftsbedingungen betrifft, welche in vergleichbarer Gestaltung bereits Gegenstand differenzierender höchstrichterlicher Rechtsprechung waren.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 631 Abs. 1, § 765 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 814

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12.04.2019, Az. 2 O 961/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

II. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 5.200.000,00 EUR festgesetzt.

2. Es ist beabsichtigt, den Streitwertbeschluss des Landgerichts Rostock vom 12.04.2019 von Amts wegen abzuändern und dahingehend neu zu fassen, dass der Streitwert für den ersten Rechtszug ebenfalls auf bis zu 5.200.000,00 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung erscheint nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage unbegründet; die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftsurkunde gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion).

1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte die Bürgschaftsurkunde ohne Rechtsgrund von der Klägerin erlangt hat, weil die Sicherungsabrede nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist; im Sinne der letztgenannten Vorschrift wird die Klägerin durch die Regelungen unter den Ziffern 7.1 und 7.2 der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) in Verbindung mit Ziffer 22 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) unangemessen benachteiligt.

a. Bei den betreffenden Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei gedruckten oder in sonstiger Weise vervielfältigten Klauselwerken spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt; dies gilt insbesondere dann, wenn der Vertrag nach seiner Gestaltung aller Lebenserfahrung nach für mehrfache Verwendung entworfen wurde und - wie hier - zahlreiche formelhafte Klauseln verwendet, die für derartige Verträge typisch sind (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Lapp/Salamon, jurisPK BGB, 8. Aufl., 2017, § 305 Rn. 61 m. w. N.).

b. Eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der letzterer eine Gewährleistungsbürgschaft zu stellen hat, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar und ist unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die unangemessene Benachteiligung kann sich dabei auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2016, Az.: VII ZR 29/13, - zitiert nach juris -, Rn. 15 m. w. N.).

aa. Die BVB und ZVB waren unstreitig Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen, sodass es sich bei der Beklagten als Auftraggeberin um ihre Verwenderin gegenüber der Klägerin als Auftragnehmerin handelt. In Übereinstimmung mit dem Landgericht haben weder die Dritte Ergänzungsvereinbarung noch die Übersendung der Gewährleistungsbürgschaft durch die Klägerin oder deren Verlangen einer bedingungsgemäß vorgesehenen Reduzierung des Bürgschaftsbetrages dazu geführt, dass es sich aufgrund dieser Tatbestände nunmehr um nach § 305b BGB vorrangige Individualabreden handelte. Nach Ziffer 5) der Dritten Ergänzungsvereinbarung bestehen die zuvor getroffenen Vereinbarungen fort, soweit - wie zu Ziffern 7.1 und 7.2 BVB und 22 ZVB - nichts Abweichendes vereinbart wurde; sämtliche Voraussetzungen des Vorliegens Allgemeiner Geschäftsbedingungen blieben danach durch die Ergänzungsvereinbarung unberührt, wobei sich das weitere Verhalten der Klägerin in einer bloßen Umsetzung der betreffenden Regelungen erschöpfte und schon von dem her nicht den Charakter einer (neuen) vertraglichen Abrede hatte.

bb. Die Klägerin wird im Zusammenspiel der eingangs unter Ziffer 1) genannten Regelungen unangemessen benachteiligt, ...

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