Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Berücksichtigung von Fahrtkosten

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 1a; SGB 12 § 82 Abs. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Hagenow (Beschluss vom 13.08.2011; Aktenzeichen 3 F 223/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Anordnung monatlicher Raten i.H.v. 250 EUR in dem die Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss des AG Hagenow - Familiengericht - vom 13.8.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG Hagenow der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungs-Verbundverfahren bewilligt und eine monatliche Ratenzahlung i.H.v. 250 EUR angeordnet. Bei der Berechnung des von der Antragstellerin einzusetzenden Einkommens hat das AG für berufsbedingte Aufwendungen monatliche Fahrtkosten i.H.v. 208 EUR einkommensmindernd abgesetzt. Ein höherer Abzug komme wegen der "Deckelung" in § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 6 Nr. 2a der VO zur Durchführung des § 82 SGB XII nicht in Betracht. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie erstrebt den Wegfall der Ratenzahlungsanordnung und trägt vor, schon der einfache Weg zu ihrer Arbeit betrage 82 km. Arbeitstäglich habe sie also 164 km zurückzulegen. Dies werde mit 208 EUR nicht ausreichend berücksichtigt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden (§§ 127, 567 ff. ZPO, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG). In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.

Die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss zur Berechnung des von der Antragstellerin einzusetzenden Einkommens und zur Höhe der von ihr zu zahlenden monatlichen Raten sind nicht zu beanstanden.

Denn zutreffend hat das AG lediglich einen monatlichen Betrag i.H.v. 208 EUR (40 × 5,20 EUR) als notwendige Aufwendung für arbeitstägliche Fahrten zur Arbeitsstelle in Abzug gebracht.

Zwar ist richtig, dass in Rechtsprechung und Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, dass Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen im Bereich der Verfahrenskostenhilfe auch so zu behandeln und zu berücksichtigen seien, wie dies die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der OLG für die Berechnung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners vorsehen (so etwa OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 69, FamRZ 2008, 2288; OLG Rostock MDR 2011, 983; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 437; OLG Nürnberg FamRB 2009, 11; Kalthoener/Büttner/Wroebel-Sachs, Prozesskostenhilfe, 4. Aufl. Rz. 258). Das führt jedoch dazu, dass insbesondere bei sehr weiten Fahrtstrecken - wie vorliegend - einkommensmindernde Beträge entstehen, die völlig außer Verhältnis zum eigentlichen Einkommen stehen. Unterhaltsrechtlich wird dies dadurch gelöst, dass in solchen Fällen eine Umzugspflicht eingreift und die Fahrtkosten insgesamt nicht mehr berücksichtigungsfähig sind.

Im Bereich der Verfahrenskostenhilfe ist solches aber nicht möglich.

Demgemäß hält die wohl überwiegende Auffassung im Bereich der Verfahrenskostenhilfe die Beschränkung auf eine berücksichtigungsfähige Fahrtstecke von maximal 40 Kilometer für geboten und hält deshalb nur einen höchst möglichen Abzugbetrag von 208 EUR monatlich für zulässig unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 115 Abs. 1 Nr. 1a ZPO, 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII, 3 Abs. 6 Nr. 2a der VO zur Durchführung (DVO) des § 82 SGB XII an (so OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 644; OLG Stuttgart, OLGReport Stuttgart 2008, 36; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.7.2008 - 9 WF 465/08; OLG Bamberg FamRZ 2007, 1339, OLG Brandenburg FamRZ 2008, 158; OLG Bremen, Beschl. v. 16.5.2011 - 4 WF 71/11; OLG Hamm, Beschl. v. 6.10.2010 - 8 WF 247/10, II-8 WF 247/10; Motzer in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 115 Rz. 28, 40; Johannsen/Henrich/Markwardt, Familienrecht, 5. Aufl., § 115 ZPO Rz. 35; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 115 Rz. 25).

Dem schließt sich der Senat - unter Aufgabe seiner bisherigen, teilweise abweichenden Auffassung - nunmehr ausdrücklich an.

Die Verfahrenskostenhilfe ist eine besondere Form der Sozialhilfe, in deren Rahmen sich der Begriff des auf der Grundlage des SGB XII zu ermittelnden Einkommens erheblich von dem unterhaltsrechtlich zu bestimmenden Einkommen unterscheidet. Soll im ersteren Fall eine Mindestsicherung derjenigen Personen, die selbst zur Erwirtschaftung des unbedingt notwendigen Lebensunterhaltes nicht in der Lage sind, durch die Allgemeinheit gewährleistet werden, so dienen die unterhaltsrechtlichen Grundsätze einer ausgewogenen Verteilung vorhandener Mittel zur Gewährung des Lebensunterhaltes zwischen Eheleuten oder Verwandten. Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist die Antragstellerin mithin nicht von den individuell anfallenden Kosten der Fahrt zur Arbeit freizuhalten. Vielmehr ist zu prüfen, in welchem Maße sich die Allgemeinheit an den tatsächlich anfallenden Kosten beteiligt, damit der notwendige Lebensunterhalt im Mindestmaß gesichert ist. Diese Prüfung folgt nach Maßgabe des § 3 DVO. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass es der Antragstellerin grundsätzli...

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