Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Hinweispflicht bei klarer Substantiierungsrüge des Prozessgegners
Normenkette
ZPO § 139
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 30.06.2004; Aktenzeichen 10 O 406/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.6.2004 verkündete Urteil des LG Rostock (Az.: 10 O 406/03) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert der Berufung: 24.131,27 EUR.
Gründe
I.1. Die Berufung war gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).
Zu Recht und aus zutreffenden Gründen hat das LG der Klägerin aus den zwischen den Parteien unstreitig geschlossenen Belieferungsverträgen über Gegenstände des Malerbedarfs einen Kaufpreiszahlungsanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) in der ausgeurteilten Höhe zuerkannt, weil - so die wesentliche Verteidigungslinie - der von der Beklagten geführte Einwand teilweiser Zahlungserfüllung (in erster Instanz) nicht substantiiert belegt worden ist. Das Vorbringen zur Berufung (Ss. v. 6.10.2004, GA 271 ff.) vermag diese Beurteilung des Vordergerichts nicht zu erschüttern.
a) Der Berufungsvortrag konzentriert sich auf die Behauptung, das erstinstanzliche Gericht habe die unter Beweis gestellten Zahlungen der Beklagten, wie sie mit der Klageerwiderung im Anlagenkonvolut B 1 aufgeführt worden seien, zu Unrecht nicht berücksichtigt. In dem Anlagenkonvolut sei chronologisch, unter Angabe von Rechnungsnummer, Rechnungsdatum und Eingangsdatum aufgelistet worden, wann die Beklagte welche Rechnung der Klägerin erhalten habe. Es sei sodann weiter dargestellt worden, welcher Betrag von der Beklagten gezahlt worden sei. Genau in der Reihenfolge der Zahlungen seien zum Beleg die Kontoauszüge der Beklagten beigefügt gewesen. Es sei als empörend zu betrachten, wenn das LG dieses Vorbringen nicht habe ausreichen lassen, zumal ausdrücklich um einen Hinweis gebeten worden sei, sollte das Gericht eine Ausformulierung der Zusammenstellung für erforderlich erachten. Ein solcher Hinweis sei entgegen der im Urteil des LG aufgestellten Behauptung in der mündlichen Verhandlung nicht erteilt worden (vgl. Ss. v. 6.10.2004, Bl. 2 = GA 272).
b) Diese Argumentation der Beklagten kann im vorliegenden Einzelfall (hierzu unten 1.b., a.E.) nicht von Erfolg getragen sein.
aa) Vorbereitende Schriftsätze (§ 129 Abs. 1 ZPO, vgl. näher: Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 129e Rz. 1), zu denen auch eine Klageerwiderung rechnet, sollen nach § 130 ZPO einen fakultativen Inhalt (dazu: Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 130 Rz. 2) enthalten. Dies erlaubt es grundsätzlich, dass der fakultative Inhalt durch in Bezug genommene Anlagen (vgl. § 131 ZPO) ergänzt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass der Schriftsatz aus sich heraus verständlich bleibt und die Bezugnahme substantiiert erfolgt. Hingegen ist es dem Gericht nicht zumutbar und ist es auch nicht seine Aufgabe, sich "das Passende" aus umfangreichen Anlagen selbst herauszusuchen (BVerfG v. 30.6.1994 - 1 BvR 2112/93, NJW 1994, 2683; OLG Köln v. 13.12.2002 - 19 U 224/01, OLGReport Köln 2003, 124; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 130 Rz. 2, § 253 Rz. 12a). Ebenso wenig geht es an, durch unsubstantiierten Sachvortrag dem Gegner quasi die Darlegungslast für eigene Einwendungen aufzubürden.
bb) So liegt es auch hier. Die Beklagte hat sich mit ihrer Klageerwiderung (Ss. v. 6.11.2003, Bl. 2 = GA 113) darauf beschränkt, eine Zusammenstellung (Anlagenkonvolut B 1, 115 ff.) vorzulegen, die sie lediglich beispielhaft - zur Lesart - erläutert hat, ohne sich allerdings der gebotenen Mühwaltung zu unterziehen, konkret und im Einzelnen vorzutragen, welcher der nach dem substantiierten Klagevortrag (vgl. Ss. v. 18.9.2003, Bl. 2 ff. = GA 2 ff. nebst Anlagen K 2-K 84) offenen Rechnungen von ihrer Seite aus welchem Grund und in welcher Höhe der Einwand der Erfüllung entgegengestellt werden sollte. Stichwortartige Randbemerkungen und farblich unterschiedliche Darstellung, deren Sinn sich nicht ohne weiteres erschließt, genügen zur schlüssigen Darlegung keinesfalls. Insoweit konnte es nicht - wie ausgeführt - Aufgabe des Gegners oder des LG sein, die von ihr, der Beklagten, einzulösende Vortrags- und Substantiierungspflicht (statt ihrer) zu übernehmen.
cc) Eine solche gesteigerte Substantiierungspflicht der Beklagten ergibt sich auch aus ihrer Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO. Diese Erklärungslast ist im Bestehen und Umfang abhängig davon, wie die darlegungspflichtige Partei (zum Klageanspruch) vorgetragen hat (BGH NJW 1999, 1404 [1405]; v. 20.5.1996 - II ZR 301/95, NJW-RR 1996, 1211). Da - wie bereits dargestellt - die Klägerin bis ins Einzelne hinein zu ihrer Klageforderung - unter Beweisantritt - vorgetragen hatte, wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, sich ebenso substantiiert (gegen) zu äußern (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rz. 8a). Solches hat sie verabsäumt.
dd) Bei den erstmals in der Berufungsinstanz abgegebenen - ohnehin unzureichenden - Erläuterungen zur "Lesart" des Anlagenkonvoluts B 1 (vgl. Ss. v. 6.10.2004, B...