Verfahrensgang
LG Schwerin (Entscheidung vom 23.05.2014; Aktenzeichen 133 Js 24941/95 (111) [32 Ks 36/08]) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Großen Strafkammer 2 als Schwurgericht des Landgerichts Schwerin vom 23.05.2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde am 21.01.2013 vom Landgericht Schwerin wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, von der zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen sechs Monate als verbüßt gelten. Die Entscheidung ist seit dem 16.04.2014 rechtskräftig. Während des Ermittlungs- und Strafverfahrens hat sich der Verurteilte in der Zeit vom 20.08.2008 bis zum 22.12.2009 in Untersuchungshaft befunden. Die Ladung zum Strafantritt "innerhalb einer Woche" wurde ihm am 10.05.2014 förmlich zugestellt.
Mit Verteidigerschreiben vom 14.05.2014 beantragte der Verurteilte bei der Staatsanwaltschaft Schwerin gemäß § 456 Abs. 1 StPO einen Strafaufschub um vier Monate mit der Begründung, er sowie insbesondere seine seit Mitte 2013 an multipler Sklerose (MS) erkrankte langjährige Verlobte würden sonst unangemessene familiäre Nachteile erleiden. Seine Verlobte, deren Krankheit sich seit ihrem Auftreten schubweise verschlimmere, sei permanent auf seine Unterstützung und Pflege angewiesen. Er müsse deshalb vor Antritt der Freiheitsstrafe wenigstens noch eine behindertengerechte Wohnung für sie finden, was - auch aus finanziellen Gründen - mit einem Umzug für die Frau verbunden sei, sowie ihre Versorgung durch Dritte organisieren. Hiermit habe er erst nach Kenntnis von der Rechtskraft des Strafurteils begonnen. Zudem befinde er sich selbst in zahnärztlicher (prothetischer) Behandlung, die noch etwa 14 Tage andauere.
Mit Verfügung vom 16.05.2014 lehnte die Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG) den Antrag auf Vollstreckungsaufschub mit der Begründung ab, die Erkrankung der Verlobten und die damit verbundenen Komplikationen würden auch nach dem beantragten Strafaufschub fortdauern, sodass damit letztlich nichts gewonnen sei. Eine erforderliche zahnärztliche Behandlung des Verurteilten könne auch aus der Haft heraus fortgesetzt werden.
Den hiergegen erhobenen und nur noch mit der Situation der Verlobten begründeten Einwendungen des Verurteilten half die Staatsanwaltschaft unter dem 21.05.2014 nicht ab und legte die Sache deshalb gemäß § 458 Abs. 2 StPO dem Landgericht Schwerin zur Entscheidung vor, das sie mit Beschluss vom 23.05.2014 unter Übernahme und Bestätigung der Ausführungen der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückwies und ergänzend ausgeführte, bei der Verlobten des Angeklagten handele es sich schon um kein Familienmitglied im Sinne von § 456 Abs. 1 StPO.
Der Verurteilte hat sich daraufhin zwar am 26.05.2014 in der JVA E. zum Strafantritt gestellt, gleichwohl aber am 28.05.2014 durch seinen Verteidiger sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung vom 23.05.2014 eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen. Der Verurteilte hat dazu unter dem 16.07.2014 durch seinen Verteidiger eine Gegenerklärung abgegeben.
II.
Die nach § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO angebrachte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob das Rechtsmittel durch den zwischenzeitlich erfolgten Strafantritt des Verurteilten prozessual überholt (so OLG München NStZ 1988, 294 mit abl. Anm. Preusker; a.A. OLG Hamm NJW 1973, 2075; OLG Stuttgart NStZ 1985, 331 OLG Zweibrücken NJW 1974, 70 m. Anm. Kaiser und die wohl h.M. in der Literatur) oder in einen Antrag auf Unterbrechung der begonnenen Strafvollstreckung umzudeuten ist (ablehnend BGHSt 19, 148, 150; a.A. [analoge Anwendung] mit beachtlichen Gründen Volckart NStZ 1982, 496 f.; ebenso Paeffgen SK-StPO, 4. Aufl., § 456 Rdz. 4). Es ist jedenfalls unbegründet.
1.
Gegenstand der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung eines Strafaufschubs durch die Staatsanwaltschaft ist nicht eine gerichtliche Ermessensentscheidung, sondern eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der von der Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 1 StPO) getroffenen Ermessensentscheidung (§ 456 Abs. 1 StPO: "kann"). Auch das Beschwerdegericht darf deshalb nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde setzen, insbesondere nicht deren Entscheidung durch eine eigene substituieren. Der Senat ist vielmehr wie in §§ 305a, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO auf die Nachprüfung beschränkt, ob die Entscheidung des Landgerichts und damit mittelbar diejenige der Staatsanwaltschaft gesetzeswidrig ist (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 07. Juli 2003 - 1 Ws 235/03 -, juris; Paeffgen aaO. § 458 Rdz. 18 m.w.N. auch zu vereinzelten Gegenstimmen). Das wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung so im Gesetz nicht vorgesehen oder unver...