Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Besitzschutzansprüche nach Besitzeinweisung der öffentlichen Hand durch Hoheitsakt

 

Leitsatz (amtlich)

Hat die öffentliche Hand den Besitz an einem Grundstück im Wege der Besitzeinweisung durch hoheitlichen Akt erlangt, ist sie für die Abwehr von Besitzstörungen auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 29.04.2015; Aktenzeichen 5 O 46/15)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.11.2019; Aktenzeichen V ZB 12/16)

 

Tenor

1. Das Urteil des LG Schwerin vom 29.04.2015 - 5 O 46/15 - wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schwerin verwiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagten (nachfolgend die Beklagten), die angekündigt haben, die über ihr Eigentum verlaufende Erschließungsstraße Alter Wölzower Weg abzusperren.

Im Jahr 2004 erließ das Ministerium für Inneres und Sport einen Bescheid, mit welchem es den Beklagten zu 1) enteignete sowie einen weiteren Bescheid, mit welchem es die Klägerin vorzeitig in den Besitz einwies. Die Beklagten betrieben über beide Bescheide das gerichtliche Feststellungsverfahren. Der Senat für Baulandsachen des Oberlandesgerichtes Rostock hob beide Bescheide 2006 auf, nachdem das Oberverwaltungsgericht Greifswald den zugrunde liegenden Bebauungsplan für unwirksam erklärt hatte.

Das Verwaltungsgericht Schwerin verurteilte die Klägerin mit Urteil vom 23.02.2011, die auf den Flurstücken der Beklagten errichtete Erschließungsstraße einschließlich Straßenbeleuchtung sowie sämtlicher Ver- und Entsorgungsleitungen zu beseitigen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagten drohten, sie in ihrem Besitz zu stören. Sie sei noch immer Besitzerin, da das Oberlandesgericht zwar mit Urteil die Besitzeinweisung aufgehoben, die Beklagten aber ihrerseits nicht wieder in den Besitz eingewiesen habe, so dass diesen ein Besitz nicht wieder zur Seite stehe. Darüber hinaus sei sie auch deshalb Besitzerin, weil sie die Straße fertiggestellt und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt habe und die Straße auch erhalte, reinige und den Winterdienst betreibe.

Die Beklagten haben gerügt, dass für die vorliegende Streitigkeit der Zivilrechtsweg nicht eröffnet, sondern die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben sei. Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Die Klägerin mache zwar besitzschutzrechtliche Ansprüche nach dem BGB geltend. Entscheidend sei jedoch, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien öffentlich-rechtlicher Natur sei. Hiervon sei vorliegend auszugehen, denn die Klägerin mache Besitz an einer Straße geltend. Bei dem von der Klägerin verfolgten Rechtsschutzziel handele es sich um keines in ihrem privaten Interesse, sondern um eines im öffentlichen Interesse. Sie wolle nämlich den öffentlichen Verkehr auf der streitgegenständlichen Straße aufrechterhalten. Dabei komme es nicht darauf an, dass das Verwaltungsgericht Schwerin festgestellt habe, dass die Straße nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Die Klägerin berufe sich auch darauf, dass sie in der Vergangenheit die typischen Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast durchgeführt habe und derzeit auch noch durchführe und daraus einen tatsächlichen Besitz herleiten wolle. Sie habe den Besitz auch aufgrund eines hoheitlichen Aktes der Besitzeinweisung erlangt. Auch der Bau einer Straße stelle schlicht hoheitliches Handeln dar. Mit Urteil vom 29.04.2015 hat das LG Schwerin den Antrag abgewiesen. Es hat den Besitz und ein Besitzrecht der Klägerin verneint und sich dabei darauf bezogen, dass in der überwiegenden Literatur zu § 116 BauGB die Ansicht vertreten werde, dass bei Aufhebung der vorläufigen Besitzeinweisung der ursprüngliche Besitzzustand ohne anderweitige Besitzeinweisung wieder hergestellt werde. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sowie der Entscheidungsgründe im Weiteren nimmt der Senat auf das Urteil Bezug.

Eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges hat das LG nicht getroffen, sondern diesen im angefochtenen Urteil beiläufig bejaht.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Unterlassung einer drohenden Besitzstörung weiter. Die Beklagten hätten die Sperrung der Straße angekündigt und eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Es handele sich bei der Straße nicht nur um eine öffentliche Straße, sondern um eine solche, die im Wege der Realisierung der Festsetzungen des wieder in Kraft getretenen B-Plans Nr. 6.2 errichtet worden sei.

Der Beklagte zu 1) habe einen Zwangsgeldantrag im Rahmen der Vollstreckung aus dem verwaltungsgerichtlichen Urteil gestellt. Die Klägerin habe hierauf Vollstreckungsabwehrklage erhoben und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.

Die Würdigung des LGes beruhe auf Rechtsverletzungen. Es habe bei seiner rechtlichen Prüfung nicht den selbst fe...

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