Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Zulässigkeit einer "Untätigkeitsbeschwerde"
Leitsatz (amtlich)
Auch bei 5-maligem Richterwechsel liegt die Voraussetzung für die Zugehörigkeit einer "Untätigkeitsbeschwerde" nur vor, wenn von einer willkürlichen Rechtsverweigerung oder völligen Untätigkeit des Gerichts gesprochen werden kann.
Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 27.02.2001; Aktenzeichen 4 O 74/01) |
Tenor
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens und der Untätigkeitsbeschwerde nach einem Wert von 324.000 Euro.
Gründe
I. Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 16.1.2001 Klage beim LG Rostock, welches das schriftliche Vorverfahren anordnete und die Sache mit Beschluss vom 8.2.2001 an das zuständige LG Stralsund verwies. Dort wurde die Sache der Einzelrichterin übertragen und nach Teilerledigung und Klageerweiterung mit Beschluss vom 21.11.2001 mit einer weiteren Klage vom 21.11.2001 (Az.: Az. 4 O 74/01) verbunden. Nach Durchführung des ersten Verhandlungstermins am 17.1.2002 wurde am 25.2.2002 ein Beweisbeschluss verkündet. Der für den 25.3.2002 anberaumte Termin zur Durchführung der Beweisaufnahme wurde auf Antrag des Beklagtenvertreters verlegt auf 8.4.2002, aufgrund einer Klageerweiterung aufgehoben und anschließend auf den 24.6.2002 anberaumt. Dieser Termin wurde auf Antrag des Klägervertreters erneut verlegt. Am 22.7.2002 fand schließlich eine erste Beweisaufnahme statt, der ein ergänzender Beweisbeschluss vom 26.8.2002 folgte. Eie Beweisaufnahme mit einem weiteren Zeugen wurde am 11.11.2002 fortgesetzt.
Nachdem der Klägervertreter am 27.1. und 17.3.2003 um verfahrensfördernde Maßnahmen gebeten hat, informierte ihn der Einzelrichter telefonisch darüber, dass eine Verzögerung aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung des Gerichts und des Verfahrensumfanges eingetreten sei.
Nach einem Richterwechsel unterbreitete das Gericht mit Verfügung vom 6.6.2003 einen Vergleichsvorschlag, der jedoch von den Parteien abgelehnt wurde, sodass es einen weiteren Verhandlungstermin für den 10.11.2003 anberaumte. Diesen wiederum hob die Einzelrichterin mit Verfügung vom 24.9.2003 auf Anregung des Klägervertreters auf und kündigte einen Hinweisbeschluss an.
Am 20.3.2003 teilte der Beklagtenvertreter dem Gericht mit, dass der Beklagte zu 2) verstorben sei, und unter dem 3.3.2004, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 3) - zugleich Erbin des Beklagten zu 2) - eröffnet worden sei. Mit Beschluss vom 8.3.2004 hat das Gericht festgestellt, dass das Verfahren bezüglich der Beklagten zu 3) und zu 2) nach § 240 ZPO unterbrochen ist.
Mit Schreiben vom 18.3.2004 bat der Klägervertreter dem Verfahren Fortgang zu geben, und hat unter dem 8.4.2004 sodann "Untätigkeitsbeschwerde" erhoben. Das LG hat die Akte daraufhin dem OLG Rostock zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die "Untätigkeitsbeschwerde" des Klägers vom 8.4.2004 ist unzulässig. Sie kann auch unter dem Gesichtspunkt einer außerordentlichen Beschwerde wegen Untätigkeit der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des LG Stralsund keinen Erfolg haben.
1. Die ZPO sieht keine Untätigkeitsbeschwerde gegen Richter vor. Nach 567 Abs. 1 ZPO findet die Beschwerde nur gegen gerichtliche Entscheidungen statt. Nur gegen eine ergangene Entscheidung eines Gerichts, nicht aber gegen dessen vermeintliches oder tatsächliches Untätigbleiben kann das im Rechtszug übergeordnete Gericht angerufen werden (vgl. BGH v. 21.11.1994 - AnwZ (B) 41/94, NJW-RR 1995, 887). Der Kläger wendet sich jedoch gegen keine Entscheidung, die das LG getroffen hat. Der Kläger begründet seine Beschwerde vielmehr damit, dass das Gericht trotz zahlloser Aufforderungen sich weigern würde, die Sache zu fördern, und daher kein effektiver Rechtsschutz gem. Art. 19 GG gewährleistet sei.
2. Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung kommt eine außerordentliche Beschwerde trotz Fehlens einer anfechtbaren Entscheidung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Terminierung entgegen § 216 Abs. 2 ZPO unterlassen oder soweit hinausgeschoben wird, dass dies im Ergebnis einer Verfahrensaussetzung gleichkommt. Dieses sei als konkludenter Aussetzungsbeschluss zu behandeln, wenn das Verhalten des Gerichts praktisch einer völligen Verweigerung der Entscheidung über ein PKH-Gesuch oder einer Aussetzung des Verfahrens gleichkommt, die den Beschwerdeweg des § 252 ZPO eröffnet (vgl. OLG Hamburg v. 3.5.1989 - 2 UF 24/89, NJW-RR 1989, 1022; OLG Saarbrücken v. 18.4.1997 - 8 W 279/96, NJW-RR 1998, 1531; OLG Frankfurt v. 28.7.1998 - 3 WF 108/98, MDR 1998, 1368; OLG Schleswig v. 20.11.1980 - 3 W 72/80, NJW 1981, 691; Gummer in Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 567 Rz. 21b m.w.N.; Schneider, MDR 1998, 252 [254]).
Eine Entscheidung des Senates, ob ein solches Rechtsmittel statthaft wäre, bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Es muss nach dem Vortrag des Beschwerdeführers Veranlassung bestehen zu der Annahme, dass der Verfahrensstillstand sachlich nicht mehr zu recht...