Verfahrensgang
AG Bergen/Rügen (Aktenzeichen 11 OWiG 417/00) |
StA Stralsund (Aktenzeichen 545 Js 15696/00 OWi) |
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Bergen/Rügen den Betroffenen "wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO" zu einer Geldbuße in Höhe von 120 DM verurteilt und ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt.
Gegen diese in seiner Abwesenheit (§ 73 Abs. 3 OWiG) verkündete Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Betroffenen, das mit am 12.12.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seiner Verteidiger eingelegt und nach der am 15.01.2001 erfolgten Zustellung des schriftlichen Urteils mit weiterem Anwaltsschreiben vom 14.02.2001, der beim Gericht am selben Tage eingegangen ist, unter Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet worden ist.
II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) Rechtsbeschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und auch begründet worden, mithin zulässig.
Sie hat auch einen - vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, da die Urteilsgründe weder den Schuld- noch den Rechtsfolgenausspruch tragen.
1.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts dient, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 28.01.1999 - 2 Ss (OWi) 226/98 I 148/98; BGH St 39, 291 (299); Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 71 Rdn. 42 ff.).
Gleichwohl müssen die Feststellungsgrundlagen so klar und eindeutig mitgeteilt werden, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird.
Stützt das Gericht seine Überzeugung, ein Verkehrsteilnehmer habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, auf das Ergebnis eines - wie hier - standardisierten Messverfahrens, bilden die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert grundsätzlich die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Da die Zuverlässigkeit der verschiedenen Messmethoden und ihr vom Tatrichter zu beurteilender Beweiswert naturgemäß voneinander abweichen, kann es grundsätzlich nicht mit der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Geschwindigkeit sein Bewenden haben. Vielmehr muss der Tatrichter, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, neben dem angewandten Messverfahren jeweils auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene kein uneingeschränktes Geständnis abgelegt hat (vgl. Senatsbeschluss a. a. O.; BGH a. a. O.).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Soweit mitgeteilt wird, der Betroffene sei zum Tatzeitpunkt "mit einer Geschwindigkeit von mindestens 77 km/h" gefahren und die Geschwindigkeitsmessung sei "vorliegend mit dem stationären Geschwindigkeitsmessgerät Traffipax Traffiphot-S (Starenkasten)" durchgeführt worden, lässt sich den Urteilsgründen schon nicht entnehmen, welche Geschwindigkeit von dem Messgerät tatsächlich gemessen worden ist. Zwar kann die Angabe eines konkreten Toleranzwertes dann entbehrlich sein, wenn bei standardisierten Messverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich bei der zu Grunde gelegten Geschwindigkeit um diejenige nach Abzug des Toleranzwertes handelt (OLG Köln NZV 2000, 430; OLG Hamm NZV 2000, 264). Allein die Angabe der Überschreitung mit "mindestens 77 km/h" und der Hinweis auf das Messverfahren lassen jedoch nicht ausreichend erkennen, ob das Gericht bei der angegebenen Geschwindigkeit den Toleranzwert bereits in Abzug gebracht, ihn also überhaupt berücksichtigt hat.
Bereits dieser Mangel zwingt zur Aufhebung des Urteils.
2.
Darüber hinaus ist auch der Rechtsfolgenausspruch nicht frei von Rechtsfehlern.
Verhängt der Tatrichter ein Fahrverbot, so befreit ihn die Bußgeldkatalogverordnung nicht von der verfassungsrechtlich gebotenen Einzelfallprüfung. Jedoch ist in den Regelfällen der BKatV der Begründungsaufwand eingeschränkt. Danach genügt es den Anforderungen, wenn die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht sich der Möglichkeit bewusst war, gegen eine angemessene Erhöhung der Regelgeldbuße von einem Fahrverbot abzusehen, jedoch keinen Grund gesehen hat, von der Regel abzuweichen. Nur wenn der Betroffene eine besondere Härte geltend gemacht hat oder mildernde Umstände ersichtlich sind, muss sich der Tatrichter damit auseinandersetzen. Sind demgegenüber keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regel erkennbar, ist der Tatrichter der Verpflichtung enthoben, die Angemessenheit des Fahrverbotes besonders zu begründen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 14.04.1999 - 2 Ss (OWi) 28/99 I 13/99; BGH St 38, 125 und 38, 231).
Auch diesen Anforderungen genügt das ...