Leitsatz (amtlich)

1. Um die Besorgnis einer Befangenheit aus persönlichen Beziehungen des Richters zu dem Prozessbevollmächtigten einer Partei ableiten zu können, sind an ihre Intensität und Qualität höhere Anforderungen zu stellen als bei persönlichen Beziehungen zu einer Partei.

2. Nicht ausreichend ist daher selbst eine enge Freundschaft mit gemeinsamen Freizeitaktivitäten bis hin zu gemeinsam verbrachten Urlauben jedenfalls dann, wenn der Richter die betreffenden Umstände den Parteien frühzeitig mitteilt und sich dienstlich dahingehend äußert, dass im Rahmen der privaten Kontakte mit dem Parteivertreter nicht über die Sache gesprochen worden sei.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Aktenzeichen 5 O 30/17)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 09.06.2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein Ablehnungsgesuch, das von dem Landgericht für unbegründet erklärt worden ist.

Der für den Rechtsstreit als Einzelrichter zuständige Dezernent hat den Parteien im Rahmen eines entsprechenden Hinweises vom 29.04.2020 vor einem auf den 07.05.2020 bestimmten Verhandlungstermin mitgeteilt, dass er und seine Familie mit der Prozessbevollmächtigten des Klägers und deren Familie befreundet seien einschließlich regelmäßiger privater Treffen und gemeinsamer Urlaube. Der vorliegende Prozess sei ihm im Vorfeld der Vorlage der Akte nicht bekannt gewesen, weil Mandate der Klägervertreterin nicht Gegenstand gemeinsamer Unterhaltungen seien. Er gehe für sich nicht davon aus, befangen zu sein.

Die Beklagte hat den zuständigen Dezernenten daraufhin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Eine solche Besorgnis ergebe sich aus den mitgeteilten Umständen des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Einzelrichter und der Prozessbevollmächtigten des Klägers, und sie reiche unabhängig von der eigenen Einschätzung des zuständigen Dezernenten zu einer bei ihm bestehenden Befangenheit für seine Ablehnung aus.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, eine über die persönliche Bekanntschaft hinausgehende Freundschaft zwischen einem Richter und dem Prozessbevollmächtigten des Gegners der ablehnenden Partei in einem Rechtsstreit rechtfertige für sich genommen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Ohne weitere Anhaltspunkte könne eine Partei aus derartigen Umständen nicht den Schluss ziehen, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber. Persönliche Kontakte zwischen Richtern und Rechtsanwälten seien nicht ungewöhnlich, wobei die berufliche Erfahrung und Professionalität ebenso wie die den Beteiligten auferlegte Pflicht, über den Gegenstand eines Verfahrens Stillschweigen zu bewahren, im Regelfall die Gewähr einer von privaten Beziehungen unbeeinflussten Entscheidung böten. Anhaltspunkte, welche der Beklagten über das mitgeteilte Bestehen der Freundschaft mit der Klägervertreterin den Eindruck vermitteln könnten, der Einzelrichter sei nicht unparteiisch, seien nicht ersichtlich.

Gegen den ihr am 25.06.2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 30.06.2020 erhobenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, es sei allgemeine Meinung, dass eine enge persönliche Beziehung zwischen einem Richter und dem Prozessbevollmächtigten einer Partei im Regelfall die Besorgnis der Befangenheit begründe. Weitere Umstände müssten nur dann hinzutreten, wenn es sich um eine lediglich lockere Freundschaft handele und diese sich über längere Jahre verfestigt habe. Hier verbrächten der zuständige Dezernent und die Klägervertreterin jedoch sogar gemeinsame Urlaube. Abgesehen davon sei es der ablehnenden Partei so gut wie nie möglich, besondere, zu der Freundschaft hinzutretende Umstände darzulegen und nachzuweisen. Maßgeblich sei letztlich, dass schon die Besorgnis einer Befangenheit für eine Ablehnung ausreichend sei.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommen solche Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber.

a. Ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch setzt danach zwar weder voraus, dass der Richter tatsächlich befangen ist, noch kommt es darauf an, ob er sich selbst für befangen hält; vielmehr genügt es, dass die Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu berechtigten Zweifeln zu geben. Denn die Vorschriften zur Befangenheit von Richtern sollen bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität...

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