Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 23.09.2010; Aktenzeichen 3 O 312/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.9.2010 verkündete Urteil des LG Schwerin - 3 O 312/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 80.000 EUR.
Gründe
I. Die klägerische Berufsgenossenschaft verlangt von der Beklagten Schadenersatz und Aufwandsersatz für Behandlungskosten ihres Versicherten M., der bei einem Arbeitsunfall im Betrieb der Beklagten am 22.9.2006 schwer verletzt wurde. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem der Klage zu 40 % stattgegeben und diese im Übrigen abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Beklagte hafte wegen Organisationsverschuldens gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 116 SGB X, da sie die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Vermeidung von Unfällen im Zusammenhang mit den von ihr veranlassten Wartungsarbeiten an der Paketierungsanlage verletzt habe. Der Anspruch sei aufgrund eines Mitverschuldens des Zeugen M. um 60 % zu kürzen. Zu den Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des Urteils.
Die Klägerin nimmt die teilweise Klageabweisung hin.
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung und erstrebt, die Klage insgesamt abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie im Grunde ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne wesentliche neue Gesichtspunkte vorzubringen. Sie rügt erneut, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor, das Mitverschulden des Verletzten xxxxxxxxx sei nicht lediglich zu 60 % zu berücksichtigen und das Beweisergebnis sei unrichtig gewürdigt worden.
Die Beklagte habe vor dem Unfall mehrere entscheidende Sicherungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Insbesondere müssten vor dem Ingangsetzen des Förderbandes die Sicherheitstüren durchschritten werden, mehrere Schaltvorgänge seien erforderlich, um die Aggregate in Betrieb zu nehmen, es ertöne vorab ein sehr lauter Hupton, drei gelbe Warnleuchten seien installiert, die gleichzeitig mit dem Hupton ansprängen und es gäbe den sog. "roten Ordner", in dem sämtliche in Betracht kommenden Sicherheitsvorschriften enthalten seien. Das von der Beklagten zulässig ausgelegte Schild mit der Aufschrift: "Nicht einschalten" sei ohne besondere Bedeutung. Jährliche Sicherheitsbelehrungen seien von dem Sicherheitsbeauftragten xxxxxx durchgeführt worden unter Einbeziehung der Vorarbeiter der Reinigungsfirma xxxxxx. Außerdem habe die Beklagte angeordnet, dass an ihren Maschinen und Anlagen jeweils nur zu zweit gearbeitet werden dürfe. Noch mehr habe die Beklagte nicht durchzuführen gehabt, um ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Allgemeine Anweisungen, wie die Reinigungsarbeiten und die Wartungsarbeiten in zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu koordinieren seien, seien unmöglich und sinnlos.
Das Mitverschulden des Geschädigten M. sei so hoch, dass ein eventuelles Mitverschulden der Beklagten vollständig zurücktrete. Dieser habe unbegreiflicherweise und nicht nachvollziehbar alle Sicherungsvorkehrungen in den Wind geschlagen. Insbesondere das Tröten der Warnhupe habe er wahrnehmen müssen und sich dann sofort von dem Rollengang entfernen müssen. Es sei schon unverständlich, dass er unter den Rollengang gekrochen sei.
Die Beweiswürdigung des LG sei fehlerhaft.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Schwerin vom 23.9.2010 die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages.
Der Senat hat die Strafakten der StA Schwerin (242 Js 34943/06) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist teilweise begründet. Die Beklagte haftet wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gem. §§ 31, 823 Abs. 1 BGB und § 831 BGB i.V.m. § 116 SGB X. Sowohl der Zahlungs- als auch der Feststellungsantrag haben in titulierter Höhe Erfolg.
a) Die grundsätzliche Haftung des beklagten Unternehmens wegen Verletzung seiner Organisationspflichten aus § 823 BGB steht außer Frage (vgl. dazu Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., Rz. 50 zu § 823; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, Rz. 125 zu § 823; Erman/Schiemann, BGB, 10. Aufl., Rz. 83 zu § 823). Diese Pflichten sind neben den aus § 831 herzuleitenden Pflichten im Rahmen des Entlastungsbeweises für einzelne Tätigkeiten des Betriebsangehörigen zu erfüllen, fallen aber praktisch vielfach damit zusammen und, werden sie verletzt, haftet der Geschä...